Überman
die Türen schließe. »Du musst jetzt leider mit dem Schlimmsten rechnen, Feechen, denn die Angst ist explodiert. Deck dich mit dem Nötigsten ein, geh nach Hause und schließ die Türen ab. Pass auf dich auf und … du hättest es geliebt hier!«
Für einen kurzen Moment stehe ich noch auf der Rampe und blicke auf den riesigen Parkplatz. Dann erinnert mich Trulli mit einem lauten »Muh« daran, dass es weitergehen muss. Noch langsamer als eben gleitet der Lastenaufzug in die Tiefe. Dreizehn Minuten hat alles bisher gedauert. Kommt mir länger vor. Endlich sind wir unten. Die Hand fest am Halfter, ziehe ich Trulli aus dem Aufzug.
»Auf geht’s, Trulli – und psssst!«
›Pssst‹ geht leider nicht, denn Hufe sind in einem gefliesten Weinkeller einfach deutlich lauter als in einem Wildpark. Wenn mich jetzt einer hört, dann ist es aus, bevor es angefangen hat. Auch den Zwerg hör ich dumpf poltern, werd wohl Musik anmachen müssen oder so.
Ich führe Trulli zwischen die beiden Lüftungsschächte in Österreich, dem einzigen Ort im Keller mit Handyempfang, und binde sie an einer Säule fest. Trulli ist nicht nur Messinstrument der Angst, sie ist auch meine Rindersicherung, denn wo ein Rind steht, wird man nicht unbedingt sein Smartphone auspacken.
Mit einem breiten, weißen Klebeband ziehe ich meine Nord-Süd-Linie direkt unter dem Rind, das als Zeiger dient. Für einen kurzen Augenblick verharre ich und beobachte nur. Trulli steht West-Ost. Hastig ziehe ich die hinter einem Regal versteckte Kiste mit Äpfeln hervor, Wasser werde ich später besorgen. Trulli schaut mich an, frisst aber nicht.
»Alles in Ordnung?«, frage ich sie und und streichle über ihr weißes Fell. Trullis Antwort erhalte ich in Form eines Schwalls flüssiger Kuhscheiße.
Auf dem Weg zurück zur Schatzkammer schließe ich die gläserne Feuerschutztür vor dem Aufzug und dem Treppenhaus ab und stecke den Schlüsselbund in meine Hose.
Es ist 21 Uhr 36 . Ich spüre, wie ein leichtes Lächeln über mein Gesicht huscht, und mit jedem Schritt, den ich am Bordeaux entlang Richtung Schatzkammer marschiere, fühle ich mich ein Stückchen großartiger. Nur eine Sache gibt es noch zu tun: den Notausgang in den USA unkenntlich machen. Leider kommt mir ein aufgeregter Sarantakos entgegen.
»Da ist überhaupt gar kein Emfpang in Neuseeland!«
»Bei welchem Provider sind Sie denn?«
»T-Mobile.«
»Da haben wir’s schon. Geht weiter jetzt übrigens.«
Missmutig schaut Sarantakos auf sein Handy und geht schließlich wieder in die Schatzkammer. Sobald er außer Sichtweite ist, ziehe ich den Hubwagen mit einem Kistenturm Zinfandel vor den Notausgang und schreite zufrieden zurück an die große Tafel der Schatzkammer, wo die Stimmung noch immer ganz hervorragend ist. Dass ich schon wieder über eine Viertelstunde weg war, ist offenbar keinem aufgefallen. Nicht mal, dass der Weinzwerg fehlt, wird registriert. Erst als ich mich an seiner Stelle am Stirnende der Tafel positioniere und die nächsten beiden Weinflaschen öffne, krächzt Phil quer über den Tisch und will wissen, wann der kleine Mann wiederkommt.
Mit einem Plopp ziehe ich den Korken aus der zweiten Flasche Allesverloren und lächle Phil an: »Der kleine Mann kommt nicht mehr.«
Monster-Überraschung
Übernacht, 21 Uhr 41
Sarantakos’ Begleitung findet, der kleine Mann hätte sich zumindest verabschieden können. Phil erklärt ihr, dass das schon in Ordnung ginge, weil ich der Spaßpräsident sei und es gleich eine Monster-Überraschung gebe.
»Monster-Überraschung, sagt er!«, lallt Manni, und Daniela fordert mit dem brabbelnden Wurm im Arm, dass ich dann aber jetzt auch was zu den Weinen sagen müsse, wenn ich schon Sommelier spiele.
»Aber klar!«, verspreche ich, nehme einen ersten Schluck des ohnehin vorgesehenen südafrikanischen Rotweins (schmeckt auch nach Rotwein), und während die anderen noch schnuppern und probieren, erzähle ich die hastig zusammengegoogelte Geschichte vom Besitzer dieses südafrikanischen Weingutes, der sich 1806 auf den Weg nach Kapstadt machte, um seine Weine zu verkaufen. Als er zurückkam, waren seine Farm und sein Haus abgebrannt.
»Deswegen also der Name«, ende ich in allerbester Zwergmanier, »er hatte ›alles verloren‹!«
»Das ist verdammt noch mal die langweiligste Geschichte, die ich je gehört habe«, nölt Phil. Ich zeige ihm den Mittelfinger, was ihn überraschenderweise verstummen lässt. Im Gegensatz zum
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