Uebermorgen Sonnenschein - Als mein Baby vertauscht wurde
warteten vier Nachrichten der Boulevardpresse auf unserem Anrufbeantworter. Sie wollte unbedingt wissen, wann der Tausch vonstattengehen würde oder ob er sogar schon passiert sei. Die Medien gierten nach einer sensationellen Story. Auch unser Anwalt hatte ein gutes Dutzend Anfragen erhalten. Wenn Ralf ans Telefon ging, sagte er immer denselben Spruch: »Bitte wenden Sie sich an unseren Anwalt.«
Als das Telefon während des Abendessens wieder klingelte, nahm dieses Mal ich ab. Es war ein besonders hartnäckiger Redakteur, der schon mehrfach angerufen hatte und ein Nein einfach nicht akzeptieren wollte. Und nun erzählte er mir, dass er bald in Urlaub fahren würde und es wirklich tragisch fände, wenn er ausgerechnet an dem Tauschtermin nicht da sei. Er wäre doch so gerne bei dem Happy End dabei.
»Happy End?«, raunzte ich ins Telefon. Sollten wir unser Leben jetzt seinem Urlaub anpassen? »Sie glauben ja wohl nicht, dass Friede, Freude, Eierkuchen herrscht, wenn der Tausch über die Bühne ist!«
Ralf machte hektisch ein Zeichen, dass ich bloß zu reden aufhören sollte. Aber es war zu spät. Ich hatte ja schon einen Satz gesagt.
»Ich wette mit dir, die machen da was draus«, sagte Ralf.
»Sollen sie doch, ist mir egal«, antwortete ich trotzig und genoss meinen Spieleabend mit Yara.
Als Ralf und ich unsere Große ins Bett brachten, erzählten wir ihr in aller Ruhe und so als sei es völlig selbstverständlich, dass Leni uns bald verlassen und dafür Lina zu uns kommen würde.
»Aber wir werden Leni trotzdem noch weiterhin sehen. Sie wird uns immer besuchen kommen, und wir können sie auch besuchen gehen.«
Yara nahm auch diese Botschaft gelassen hin. Ich war schon etwas überrascht, dass es ihr so gar nichts auszumachen schien. Ich konnte mir den Gedanken nicht verkneifen, dass sie diesen Pragmatismus eindeutig von ihrem Vater geerbt hatte.
Als ich am nächsten Morgen ins Krankenhaus fuhr, machten Vanessa und ich eine schnelle Übergabe. Ralf fuhr Vanessa zur Schule, da sie ohnehin auf dem Weg zu seiner Arbeit lag. Leni war bei Theodora, die sich richtig gefreut hatte, noch einmal intensiv mit ihrem »falschen« Enkelchen zusammen sein zu können. Und ich war erleichtert, dass ich mich ganz auf Lina konzentrieren konnte.
Ihr Husten war immer noch heftig. Zum Inhalieren brauchte ich die Hilfe einer Krankenschwester, denn das war für die Kleine eine einzige Tortur. Ich nahm Lina auf meinen Schoß, hielt ihre Hände, und die diensthabende Schwester drückte das Gerät an ihr Gesicht. Sie gab sich große Mühe, Lina zu beruhigen, und sang ihr sämtliche Osterlieder vor, die sie kannte – und ihr Repertoire war nicht klein! Lina ließ sich tatsächlich ein wenig ablenken.
Nach dem Inhalieren kam dann der schöne Teil: Ich fütterte Lina, machte sie frisch und spielte mit ihr. Zum ersten Mal konnte ich den ganzen Tag mit ihr zusammen sein, nur sie und ich. Ich genoss diese Zeit so sehr. Obwohl wir im Krankenhaus waren, war es wunderschön für mich. Ich merkte, wie wir langsam zusammenwuchsen.
Irgendwann wurde ich von der Sekretärin der kaufmännischen Direktion der Klinik angerufen und gefragt, ob Frau Geiser mich besuchen kommen dürfe. Zehn Minuten später war sie auch schon da.
»Ich bin ja so befangen. Ich habe mich fast gar nicht getraut zu kommen«, leitete sie das Gespräch ein.
»Wieso denn? Welchen Grund habe ich Ihnen denn gegeben, dass Sie den Kontakt zu mir scheuen?«, fragte ich sie entgeistert.
»Im Gegenteil, Sie waren ja immer sehr zuvorkommend und nett«, versuchte sie sich zu erklären.
»Deswegen verstehe ich Ihre Befangenheit gar nicht. Sie können doch immer mit mir reden.«
»Ich weiß. Trotzdem bin ich irgendwie gehemmt in dieser Sache.«
Ein wenig genoss ich meine Sonderstellung schon. Es war nur richtig und gut, dass sie sich alle so bemühten. Immerhin hatten sie es ja auch verbockt.
Frau Geiser erkundigte sich, ob ich auch mit allem zufrieden sei. Ich versicherte ihr, dass wir uns alle gut aufgehoben fühlten.
»Sie ist ja so süß, Ihre Kleine. Wie geht es Ihnen denn jetzt?«
»Wir müssen nun erst mal den Tausch schaffen. Danach schauen wir weiter. Vielleicht machen wir noch eine Familienkur.«
Wo Frau Geiser schon mal da war, nutzte ich die Gelegenheit, um die Sache mit Hannah nochmals klarzustellen. »Übrigens: Meine Hebamme macht sich solche Sorgen, dass sie ihren Job verlieren könnte. Sie musste beim Gesundheitsministerium vorsprechen. Ich möchte noch
Weitere Kostenlose Bücher