Uebermorgen Sonnenschein - Als mein Baby vertauscht wurde
lange rühren, damit sich die Schmelzflocken auch richtig auflösen.«
Ich sah, wie Ralf grinste. Etwas später flüsterte er mir zu: »Das macht sie doch sowieso nicht.«
»Na und? Aber ich hab’s ihr wenigstens gezeigt«, rechtfertigte ich mich und tauchte meinen Finger in sein Salatdressing, was er überhaupt nicht leiden konnte.
Zuerst schauten wir uns gemeinsam Bilder von unseren Babys an. Genauer gesagt waren es fast nur Bilder von Leni, da es von Lina kaum welche gab. Dann servierte Ralf das Abendessen – Schnitzel mit Pommes und Salat. Dafür bekam Ralf ein dickes Lob von Vanessa. Zum ersten Mal unterhielten wir uns richtig angeregt. Ich sprudelte regelrecht über. Ich war so froh, dass Vanessa sich wieder gefangen hatte und bislang alles so gut lief.
»Was ist denn mit deiner Mama?«, fragte ich sie irgendwann. »Kommt sie dich morgen abholen?«
»Nee. Die packt das nervlich nicht.« Vanessa ließ sich ja meistens nichts anmerken, aber ich glaubte eine Enttäuschung aus ihrer Stimme herauszuhören.
»Und wer kommt dann?«, hakte ich nach.
»Mein bester Freund. Der bringt noch seine Mutter mit.«
Dafür konnte ich beim besten Willen kein Verständnis aufbringen. Wie konnte Vanessas Mutter ihre Tochter in einem der wichtigsten und schwersten Momente ihres Lebens so im Stich lassen? Aber ich hielt meinen Mund, schließlich ging es mich nichts an. Familienzusammenhalt ist eben keine Selbstverständlichkeit , dachte ich, und ich war froh, dass meine eigene Familie mir so großen Rückhalt bot.
Vanessa spielte nicht nur mit Yara, sie kümmerte sich auch ganz liebevoll um Leni. Doch sie ging anders mit ihr um als mit Lina. Vorsichtiger. Auch ich herzte Lina nicht so, wie ich es im Krankenhaus gemacht hatte, als ich allein mit ihr war. Wie immer hielt ich mich zurück, denn nach wie vor war ich mir nicht sicher, wie Vanessa darauf reagieren würde, und ich wollte nichts riskieren.
Irgendwann kamen wir auf das Thema Namensgebung zu sprechen. Auch Ralf gefiel der Name Angelina nicht. Natürlich sagten wir Vanessa das nicht. Es war schließlich nur unsere ganz persönliche Meinung, unser Geschmack, und über den lässt sich ja bekanntlich streiten. Mal ganz davon abgesehen mochte ich eher kurze als lange Namen. Wir beschlossen also, dass Lina auch amtlich Lina heißen sollte. Vanessa freute sich sehr darüber. Sicherlich hätte es ihr viel ausgemacht, wenn wir Lina einen komplett anderen Namen gegeben hätten.
Jetzt waren wir gespannt, was sie mit dem Namen Leni machen würde. »Leni ist auch schön«, meinte sie.
»Super! Dann lassen wir alles so«, beschlossen wir einhellig und strahlten uns an. Wieder einmal hatten wir uns ganz harmonisch einigen können, und wieder einmal fiel mir ein Stein vom Herzen.
Als wir später unsere jeweils eigenen Babys bettfertig machten, gab ich Vanessa noch ein paar weitere Tipps. »Du brauchst nicht viel zu machen. Du kannst Leni einfach hinlegen und gleich rausgehen.«
Vanessa schaute mich mit großen Augen an. »Echt? Du musst nicht noch ihre Hand halten, bis sie eingeschlafen ist?«
Für Vanessa war das befremdlich, zumal sie Lina immer gern beim Einschlafen geholfen hatte. Ungläubig legte sie Leni hin und verließ gleich darauf das Zimmer. Tatsächlich gab die Kleine keinen Pieps von sich.
Bei mir dauerte die Sache etwas länger. Lina beschwerte sich sofort, nachdem ich sie hingelegt hatte. Ich nahm sie wieder auf den Arm, woraufhin sie aufhörte. So ging das etliche Male. Das ist ja zum Wahnsinnigwerden , dachte ich. Das kam natürlich davon, dass Vanessa Lina immer bei ihr im Bett schlafen ließ. Aber hier mussten ich und Lina jetzt durch. Und irgendwann schlief sie dann auch ein, und wir konnten zum gemütlicheren Teil des Abends übergehen.
»So, jetzt trinken wir einen«, sagte ich, um die Stimmung aufzulockern, und öffnete auch ein paar Tüten Knabberzeug. »Äh, darfst du überhaupt schon was trinken, Vanessa?«, fragte ich noch ordnungshalber.
»Ja, ja, ein Cola-Bier geht schon«, antwortete sie. Ich war ziemlich schnell beschwipst und kann mich erinnern, dass die Bubbles in meinem Sekt wie Sprechperlen wirkten. Und das, obwohl ich ohnehin schon den ganzen Tag wie ein Wasserfall redete. Plötzlich fühlte ich mich zwanzig Jahre jünger. Alles war »cool« oder »easy«. Trotz meines Pegels hatte ich aber immer noch das Gefühl, dass ich Vanessa in die richtige Bahn lenken müsste. Meine mütterlichen Impulse, die Verantwortung, die ich ihr gegenüber
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