Übernachtung - Frühstück ausgeschlossen
ihrer Urlaubsreise und war entzückt, als Annette berichtete, sie sei letztes Jahr ebenfalls in Australien gewesen. Vom Großen Barriereriff kamen sie dann unvermutet auf Annettes Zukunftspläne zu sprechen, wobei sich herausstellte, daß sie ihr Stipendium vorerst lediglich in Aussicht hatte.
»Ich weiß allerdings selbst nicht, was ich damit anfangen soll, wenn ich’s dann habe«, erzählte sie uns. »Mein Vater findet, daß ein Mädchen in meinem Alter zu Hause zu bleiben hat, wo sie Mutter hilft und gleichzeitig verzweifelt nach einem passenden jungen Mann Ausschau hält, der dann bestimmt langweilig und geistlos ist.«
»Aber Sie machen doch immerhin Reisen mit Ihren Eltern«, warf ich ein, um das Thema zu wechseln. »Sind die denn nicht interessant?«
»Reisen mit meinem Vater sind eine Tortur, weil er sich wie eine Kreuzung aus Gefängniswärter und Reiseführer aufspielt. Er erklärt einem alles so langatmig und langweilig wie möglich und paßt gleichzeitig auf, daß man sich ja nicht umdreht, falls irgendwo ein anerkennender Pfiff ertönt. Abends stellt er einem dann Fragen über das Gesehene, um sich zu vergewissern, daß man gut aufgepaßt hat.«
»Haben Sie denn nie versucht, ihm zu entwischen?« fragte meine skrupellose Nichte. »Mir ist das oft geglückt, und ich habe mich jedesmal herrlich amüsiert. Ich bin jedesmal pünktlich zu den Mahlzeiten ins Hotel gekommen, und meine Mutter hat sich immer wieder darüber gewundert, wie ein verhältnismäßig vernünftiges Mädchen sich so häufig verlaufen konnte. Ich habe ihr dann jeweils versichert, das sei nicht weiter schlimm, weil ein netter älterer Mann mir ganz genau erklärt habe, was sich zu besichtigen lohne.«
Ich wollte bald wieder fahren, aber dann schlug Tony vor, Annette solle mit ihr ausreiten — und ich sollte den Norths von diesem Plan erzählen und Annettes Reithosen und Stiefel holen, »weil sie sonst vielleicht nicht darf«. Ich war widerstrebend dazu bereit, aber Tony versicherte mir, ich sei am besten dazu geeignet, weil andere Leute auf mich hörten. »Du redest so wenig, Susan, daß die Leute dir folgen, wenn du einmal etwas sagst«, behauptete meine Nichte.
Das klappte diesmal jedoch nicht, denn Mr. North schien mich von Anfang an nicht ausstehen zu können. Er war jedenfalls eine imponierende Erscheinung, so daß ich mich nicht wunderte, daß selbst Larry insgeheim Respekt vor ihm gehabt hatte. Ich erklärte ihm, Annette sei bei Tony geblieben, und bat ihn, mir ihre Reitsachen mitzugeben. »Das scheint mir eine recht plötzliche Freundschaft zu sein«, meinte North daraufhin stirnrunzelnd, während seine Frau ziemlich taktlos bemerkte, Annette sei eben so schrecklich unkonventionell.
Ihr Mann machte alles noch schlimmer, indem er hinzufügte: »Dieses Mädchen hat die bemerkenswerte Gabe, sich immer mit den falschen Leuten anzufreunden.«
Das war mehr, als ich hinzunehmen bereit war. »Tony ist meine Nichte«, sagte ich und nannte Alistairs Namen, der immerhin ziemlich prominent war. Papa North kannte ihn offenbar; er äußerte sich beinahe anerkennend über Alistair — »trotz seiner unglücklichen Ehegeschichte« — , und Tony war damit akzeptiert.
Dann fiel aus irgendeinem Grund mein Mädchenname, wodurch die letzten Zweifel beseitigt wurden. Mrs. North kannte meine Mutter aus ihrer gemeinsamen Tätigkeit in mehreren Komitees, die ein Steckenpferd meiner Mutter sind. Ich wurde nicht nur akzeptiert, sondern sogar zum Kaffee eingeladen. Als ich mich verabschiedete und Annettes Reithose und Stiefel mitbekam, hatte ich das Gefühl, die Norths seien doch nicht ganz so schlimm, wie Larry sie geschildert hatte.
Als wir uns verabschiedeten, machte Papa North diesen guten Eindruck jedoch wieder zunichte. Ich bemerkte, seine Tochter freue sich bestimmt, in Tony eine nur wenig ältere Freundin gefunden zu haben, aber Mr. North ging nicht darauf ein, sondern sagte nur, er hoffe sehr, daß die junge Frau seine Tochter nicht in ihrem unsinnigen Wunsch, irgendwo auf einer Farm zu arbeiten, bestärken werde. Als ich daraufhin das erhoffte Stipendium erwähnte, meinte er mit einer wegwerfenden Handbewegung, er sei kein großer Freund des Frauenstudiums, weil die jungen Dinger dadurch nur auf dumme Gedanken kämen.
North behielt sogar das letzte Wort, denn als ich nachdrücklich feststellte, ich sei froh, daß Annette hier jemand mit ähnlichen Interessen gefunden habe, meinte er süffisant, seiner persönlichen Erfahrung nach gebe
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