Übernachtung - Frühstück ausgeschlossen
sehen sollen, als Annette, die noch mit Mr.
Woodford gesprochen hatte, hereinkam! Bei ihrem Anblick war der junge Mann wie
verwandelt. Er sah nicht mehr gelangweilt und mürrisch drein, sondern wirkte
fröhlich und lebhaft. Richtig umgekrempelt, sage ich dir !«
»Und was war mit Annette ?« erkundigte ich mich. »Hat sie sich etwa auch verwandelt ?«
»Nein, sie wirkte etwas
schüchtern und sprach mit sehr sanfter Stimme, die bei ihr immer ein Zeichen
von Nervosität ist, mit Mrs. Woodford. Aber Frank beteiligte sich bald an ihrem
Gespräch, und die beiden haben sich recht gut unterhalten .«
»Worüber denn?«
»Pfui, wie kann man nur so
neugierig sein, Susan! Sie sprachen über Pferde. Mrs. Woodford achtete nicht
weiter auf sie, sondern unterhielt sich so eifrig mit mir, daß ich nicht mehr
mitbekommen habe, worüber die jungen Leute sprachen. Und als ich dann
heimreiten wollte, waren Annette und Frank verschwunden .«
»Donnerwetter! Was hat Mrs.
Woodford dazu gesagt ?«
»Oh, sie vermutete, daß sie bei
den Pferden seien, weil Frank >sich so für Pferde interessiert<. Dieses
Interesse scheint aber ziemlich plötzlich erwacht zu sein .«
»Waren die beiden tatsächlich
bei den Pferden ?«
»Ja, sie streichelten die alten
Pensionäre. Frank saß bereits im Sattel, und ich muß zugeben, daß er zu Pferd
eine gute Figur macht. Und Annette ist ohnehin die geborene Amazone! Ich habe
das unter diesen Umständen einzig Anständige getan und ihnen zugerufen, ich
müßte noch zu dir und würde zu Fuß gehen .«
»Das nenne ich hochanständig,
Tony. Und haben sie dein Angebot angenommen ?«
»Brauchst du da noch zu fragen?
Als ich sie zuletzt sah, sind sie nebeneinander über die Koppel davongetrabt.
Oh, ist das nicht wunderbar, Susan? Jetzt hat Annette endlich einen
Gleichaltrigen kennengelernt! Genau das hat sie nämlich gebraucht .«
»Und Frank nicht weniger, nehme
ich an«, antwortete ich lächelnd. »Aber eigenartig ist es doch, daß der
mürrische Jüngling so aufgewacht ist. Das beweist wieder einmal, wie sie sein
können, wenn sie nicht gerade mit Erwachsenen zu tun haben .«
»Ja, für mich ist das auch eine
bittere Lektion gewesen, Susan. Kein zweiter Blick für mich, kein Wort. Ich
gehöre einfach schon zum alten Eisen .«
»Unsinn! Du bist nur zwei Jahre
älter als Frank Woodford — aber als verheiratete Frau
bist du für ihn natürlich uninteressant, um es ganz deutlich zu sagen .«
»Ja, das hab’ ich gemerkt! Ich
gehe jetzt nach Hause und beschwere mich bei Peter darüber .«
»Peter sieht die Sache
natürlich genau umgekehrt«, stellte ich fest. »Und wie willst du dich in
Zukunft verhalten, nachdem du jetzt weißt, wo du stehst? Entdeckst du
plötzlich, wieviel Hausarbeit du in Wirklichkeit hast ?«
»Nein, noch nicht«, wehrte Tony
ab. »Zunächst muß ich ihnen eine Zeitlang Gesellschaft leisten, bis sie mich
nicht mehr sehen können. Dann bekomme ich irgendeine Krankheit - allerdings
keine ernste, sonst fühlt Annette sich am Ende noch verpflichtet, bei mir zu
bleiben und mich zu pflegen. Am besten schütze ich Zahnschmerzen vor, weil ich
dann nach Te Rimu zum Zahnarzt muß. Ich habe ohnehin einen Zahn, der plombiert
werden müßte, so daß ich nicht einmal zu schwindeln brauche. Die beiden können
mitfahren, und da ich eine alte Freundin besuchen will, werde ich sie einfach
auffordern, sich allein zu amüsieren. Bei dieser Gelegenheit kann Frank gleich
feststellen, wie bezaubernd Annette in einem Kleid oder in Rock und Bluse
aussieht. Bisher hat er sie immer nur in der Reithose und mit einem alten
Pullover gesehen. Das wird ihm die Augen öffnen !«
Tony war wieder einmal voller
Begeisterung dabei, anderer Leute Privatleben nach ihren eigenen Vorstellungen
umzumodeln, aber ich hielt ihre Bemühungen für harmlos. Die beiden waren recht
nett, obwohl ich Frank bessere Manieren gewünscht hätte, und paßten bestimmt
gut zusammen. Natürlich nur in bezug auf eine Ferienfreundschaft...
»Ja, natürlich«, bestätigte
Tony verdächtig bereitwillig, als ich diese Ansicht äußerte. »Das Ganze ist
einfach zweckmäßig, Susan. Annette muß endlich einmal einen Freund haben, und
Frank muß aus seiner gewohnheitsmäßigen Depression wachgerüttelt werden. Ich
finde, daß es eine clevere Idee von mir gewesen ist, die beiden
zusammenzubringen .«
»Bilde dir nur nicht zuviel
ein! Die Sache mit dem Brief hat natürlich mitgeholfen, aber die beiden wären
sich auch ohne dein Dazutun begegnet.
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