Überraschung kommt selten allein
zusammen kommen. Er habe, fügte er hinzu, seine Termine umgelegt, so dass er von zu Hause aus arbeiten könne, solange Dylan in Bath war. Alberta ihrerseits hatte inzwischen beschlossen, dass ein Wochenende in Dylans Gesellschaft reichte.
Albertas Mutter, von allen nur Marma genannt, hatte nie eines ihrer erwachsenen Kinder zu sich eingeladen mit der Begründung, ihre Kinder wüssten, dass sie immer willkommen seien. Glücklicherweise hatte Tony davon keine Ahnung.
Wild improvisierend und mit schrecklich schlechtem Gewissen sagte Alberta: »Tony, Marma hat mich angerufen. Sie hat mich ab Montag für ein paar Tage eingeladen. Ich habe sie und Pa seit einer Ewigkeit nicht gesehen. Dylan wird doch nichts dagegen haben, wenn ich fahre, oder?«
»Nein, nein«, sagte Tony. »Wir schaffen das schon.«
Sie schämte sich angesichts Tonys Verständnis, allerdings nicht so sehr, als dass sie nicht sofort zwei weitere Anrufe tätigte. Der erste galt ihrer Mutter, um ihr ihre drohende Ankunft mitzuteilen.
Der zweite war nicht so einfach.
Alberta hatte Diana Bounty vor fünfzehn Jahren kennengelernt, als ihre jüngsten Kinder zusammen in den Kindergarten gingen. Sie entdeckten, dass sie beide Köchinnen waren und unbedingt wieder arbeiten wollten. Als sie Besonderes in Bath gründeten, hatten sie ein kleines Unternehmen im Sinn, das gutes, hausgemachtes Essen an Menschen lieferte, die für sich selbst entweder nicht kochen konnten oder wollten. Nach und nach und mit zunehmendem Selbstvertrauen begannen sie Aufträge für Partys und sogar Hochzeitsbuffets anzunehmen. Als ihr Kundenkreis größer wurde, wies Diana darauf hin, dass sie das armselige Einkommen, das die ZKK s – die Zeit kostenden Kunden , wie sie sie nannte – einbrachten, nicht länger brauchten. Jetzt, da sie so gefragt für Firmenveranstaltungen waren, schien es absurd, weiterhin individuelle Mahlzeiten für alte Damen und hilflose Witwer zuzubereiten. Doch Alberta mochte ihre ZKK s und wusste, wie sehr diese ihren Service schätzten. Eine Zeitlang sah es so aus, als würden sich die Wege der beiden Frauen trennen. Alberta hatte das Gefühl, als seien sie wie ein altes Ehepaar, das herausgefunden hatte, dass es nicht mehr die gleichen Interessen hatte. Alberta hatte die Firma in dem Glauben gegründet, dass sie damit nicht nur Geld verdienten, sondern auch den Menschen halfen. Diana war allerdings nur daran interessiert, das erfolgreichste Cateringunternehmen in Bath zu besitzen.
Ein Kompromiss wurde geschlossen. Alberta erklärte sich damit einverstanden, dass Dianas Freundin Pam einstieg, mit der Aussicht, in einigen Jahren dritte Teilhaberin zu werden. Diana wiederum war bereit, die kleinen Kunden zu behalten, unter der Bedingung, dass Alberta sich um sie kümmerte.
Um Dylan aus dem Weg zu gehen, musste Alberta Diana bitten, am Dienstag drei ihrer ZKK s zu übernehmen. Sie hatte eine wenig enthusiastische Antwort erwartet und wurde nicht enttäuscht. Erst musste sie einen achtminütigen Wortschwall über sich ergehen lassen, in dem »unprofessionell« und »der Anfang vom Ende« mindestens dreimal vorkamen. Und dann, als Diana sich endlich bereit erklärte, Albertas bescheidene Bitte zu erfüllen, hatte sie den Nerv, ihr zu sagen, dass sie gerade einen neuen Auftrag angenommen habe – ein einundzwanzigster Geburtstag, Essen für einhundertzehn Personen –, und zwar im Juni. Alberta möge sich bitte das Datum notieren, da sie, Diana, zu der Zeit in der Türkei in Urlaub sein werde.
Als wäre das Telefonat mit Diana noch nicht genug, sah sich Alberta einer Flut von Beschwerden von Jacob ausgesetzt. »Dylan bleibt fast eine Woche?«, fragte er klagend. »Ist dir klar, dass das meine allerletzten Schulferien sind? Er wird die ganzen Ferien hier sein? Ich ziehe zu Maud.«
Maud war Jacobs Freundin. Jacobs Familie war überrascht gewesen, als er eine Freundin mitbrachte. Als sie sie kennenlernten, legte sich die Überraschung, denn sie und Jacob schienen wie geschaffen füreinander zu sein. Maud war ein dünnes Mädchen mit buschigen Augenbrauen, das entweder Rechtsmedizinerin oder Polizistin werden wollte, da sie ein ausgesprochenes Interesse für Serienmörder hegte. Maud hatte fortschrittliche Eltern, die Jacob ins Herz schlossen und ihm erlaubten, bei ihnen zu übernachten, wann immer er wollte.
Alberta wollte Jacob nicht fragen, wie die nächtlichen Arrangements aussahen, und obwohl sie sich ihren Sohn nicht bei fleischlichem Vergnügen vorstellen
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