Überraschung kommt selten allein
konnte, sprach sie mit Tony über die Notwendigkeit für EIN Gespräch. Tony nahm Jacob pflichtbewusst beiseite und begann mit einem unverfänglichen: »Jakey, wegen Maud …«, nur um sofort von seinem Sohn unterbrochen zu werden, der einfach sagte: »Schon gut, Dad, du musst mir nichts über Kondome erzählen.«
Wie Tony später zu Alberta meinte, bräuchte es einen stärkeren Menschen als ihn , um das Thema jetzt noch zu vertiefen. Alberta konnte nicht umhin, ihm zuzustimmen; nach der Aussage brauchte es definitiv einen stärkeren Menschen als sie , um das Ganze überhaupt noch mal anzusprechen.
Sie bestand jedoch darauf, dass Jacob sich keinesfalls aus dem Staub machen und bei seiner Freundin bleiben durfte, während sein Halbbruder in Bath war. »Tony wäre stinksauer. Dylan kommt nicht sehr oft. Du kannst solange nicht abtauchen. Außerdem sind es keine richtigen Ferien. Du sollst für deine Prüfungen lernen. Du solltest besser zu Hause bleiben.«
»Und was ist mit dir?«, erwiderte Jacob. »Du fährst zu Marma und Großvater.«
»Das ist etwas anderes«, sagte Alberta. »Marma … Marma hat mich eingeladen.«
Jacob zog die Augenbrauen hoch, nahm seine Brille ab und putzte sie mit seinem T-Shirt. »Wenn ich hierbleibe«, sagte er, »wird Dad mich zwingen, jeden Abend mit ihnen zu essen. Ich komme mit zu Marma.«
»Das geht nicht«, protestierte Alberta. »Wir können nicht beide fahren.«
»Warum nicht? Es sind Ferien. Ich fahre immer in den Ferien zu Marma und Großvater. Und dort kann ich gut arbeiten. Außerdem habe ich Marma sowieso schon gesagt, dass ich komme.«
»Du hast ihr gesagt …! Wann hast du das getan?«
»Das weiß ich jetzt nicht mehr«, wich Jacob aus. »Ich habe mit ihr telefoniert, und da hat sie mir erzählt, dass sie dich eingeladen hat und dann hat sie mich auch eingeladen.«
Alberta machte den Mund auf und dann, ganz langsam, wieder zu.
»Übrigens«, sagte Jacob und setzte seine Brille wieder auf. »Ich bin morgen Abend zum Essen nicht da. Maud ist allein, und ich habe ihr angeboten vorbeizukommen. Ihre Mutter kauft Steaks für uns. Ich habe eigentlich ein ganz schlechtes Gewissen. Ich esse andauernd bei ihnen.«
»Ich backe morgen Quiches«, sagte Alberta. »Wenn du willst, mache ich eine für dich und Maud mit.«
»Mum«, sagte Jacob ernst. »Du bist so aufmerksam. Wie nett von dir.«
»Schon gut«, sagte Alberta.
Als sie das Zimmer ihres Sohnes verließ, fragte sie sich, warum sie die Gespräche mit ihm immer so verwirrten.
Während der nächsten Tage war Alberta gedrückter Stimmung, gefangen zwischen der Erinnerung an das Abendessen für Erica und der üblen Aussicht auf das bevorstehende Wochenende mit Dylan. In solchen Zeiten war sie froh, dass Tony die Woche in London verbrachte. Wenn es um Dylan ging, plagten Tony unauslöschliche Schuldgefühle, die, wie Alberta ihm unzählige Male versichert hatte, völlig unbegründet waren; es war schließlich Lydia gewesen und nicht Tony, die die Ehe beendet hatte. Tony fand endlose Entschuldigungen für das Verhalten seines älteren Sohnes, und Alberta hatte schon vor langer Zeit beschlossen, dass sie kein Recht hatte, sich einzumischen oder über ihren Stiefsohn zu urteilen. Das hinderte sie natürlich nicht daran, genau das zu tun, aber wenigstens hatte sie nie irgendjemandem gegenüber verraten, wie ihr Urteil lautete.
Inzwischen grübelte sie weiterhin über das schreckliche Fiasko mit Erica nach. Sie versuchte, mit Evie und Lionel darüber zu reden, doch deren Antworten erwiesen sich als völlig unbefriedigend. Lionel regte sich selten über das Verhalten anderer Menschen auf, egal wie extrem oder verstörend es sein mochte. In seinen Augen führten seine Mitmenschen eine große Show auf, die nur dazu gedacht war, ihn zu unterhalten. Er fand, dass Erica ein unglaublich toller Mensch war, voller Courage, ein unabhängiger Geist, der bewies, dass nicht alle Frauen einen Mann in ihrem Leben brauchten, um glücklich zu sein.
Das war schön und gut, nur leider schien seine Schlussfolgerung für die ohnehin schon aufgebrachte Alberta zu implizieren, dass sie eine Frau war, die einen Mann in ihrem Leben brauchte. Und dass sie zu allem Überfluss versucht hatte, ihre konservativen Ansichten einem Freigeist wie Erica aufzuzwingen. Evie räumte zwar ein, dass Erica sich sehr schlecht benommen hatte, doch auch sie fand Entschuldigungen für ihren Gast und gab zu bedenken, dass die arme Frau vielleicht ja einen alleinstehenden
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