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Überraschung kommt selten allein

Überraschung kommt selten allein

Titel: Überraschung kommt selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Holt
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nicht. Deswegen sollte sie auch versuchen, besonders nett zu ihm zu sein. Hannah erwiderte, es sei nicht ihre Schuld, dass Dylan nicht bei seinem Vater wohnte, und sie sei sich sicher, dass er sehr wohl mit Absicht so gemein war. Alberta machte ein sehr besorgtes Gesicht und sagte mit so viel Überzeugungskraft, wie sie aufbringen konnte, dass Hannah sich da bestimmt irrte.
    Mit der Zeit wurden Dylans Besuche seltener. Tony war bestürzt, akzeptierte aber die Erklärung seiner Exfrau. Lydia sagte, Dylan sei in einem Alter, in dem er lieber mit seinen Freunden zusammen sein wolle. Er ging gern schwimmen und spielte Fußball und übernachtete oft bei seinem Freund Sam. Tony erwartete doch bestimmt nicht, dass er das aufgab, nur um beengte Wochenenden in einer winzigen Wohnung mit seiner Stiefschwester zu verbringen, die auf ihn herabsah. Tony antwortete Lydia, er habe nie bemerkt, dass Hannah auf Dylan herabsah und dass Dylan sich nie darüber beschwert habe. Lydia versicherte ihm, Dylan habe auch ihr gegenüber diesbezüglich nie etwas verlauten lassen, dass sie es aber einfach wisse . Tony schlug vor, an den Wochenenden mit Dylan allein etwas zu unternehmen, und Lydia sagte, das sei sehr schön, doch es änderte nichts an der Tatsache, dass Dylan schwimmen gehen und Fußball spielen und bei seinem Freund Sam übernachten wollte.
    Nach Jacobs Geburt und dem bald darauf folgenden Umzug nach Bath nahmen Dylans Besuche weiter ab. Tony versuchte, es sich zur Gewohnheit zu machen, ihn regelmäßig bei Lydia zu besuchen oder mit ihm auszugehen, wenn er in London war. Dylan kam weiterhin während der Ferien zu ihnen, doch diese Besuche waren nie entspannt. Dylan und Hannah verhielten sich mittlerweile wie zwei Kollegen, sprich, sie achteten darauf, so wenig wie irgend möglich miteinander zu tun zu haben. Tony hoffte, Dylan würde zu seinem kleinen Halbbruder eine ebenso gute Beziehung entwickeln wie Hannah. Die Hoffnung erfüllte sich nicht. Dylan kickte gerne einen Ball durch den Garten, während Jacob lieber auf dem Rasen hockte und Türme aus Bauklötzen baute. Zu oft landete Dylans Ball rein zufällig in Jacobs Türmen und zerstörte sie. Alberta tröstete Tony damit, dass Jacob Dylan anhimmeln würde, sobald dieser ein Teenager war.
    Als Dylan dann ein Teenager war , stellte Alberta voller Erleichterung keinerlei Anzeichen dafür fest, dass Jacob seinen älteren Halbbruder anhimmelte. Wenn Dylan zu Besuch kam, erzählte er lautstark endlose Geschichten über die Partys, auf die er ging, die Mädchen, die er traf, die Lehrer, deren Stunden er störte, und die Drogen, die er angeblich nahm. Hannah verdrehte nur die Augen und verschwand in ihrem Zimmer. Jacob, der Hannah anbetete, verdrehte sogleich auch die Augen und verschwand ebenfalls. Alberta fand ihn dann später mit Malblock und Stiften ausgestreckt auf Hannahs Bett, wieder einmal versunken in die Kreation komplizierter Raketen. Alberta tat ihr Bestes, ihre Kinder dazu zu überreden, netter zu sein, was allerdings schwierig war, weil sie an deren Stelle Dylan ebenfalls meiden würde.
    Dylans Mutter war halb Französin, und Alberta stieß einen heimlichen Seufzer der Erleichterung aus, als Dylan nach dem Schulabschluss entschied, nach Frankreich zu ziehen. Er sprach ausgezeichnet Französisch und fand den Gedanken reizvoll, auf dem Weingut seines Onkels in Épernay zu arbeiten. Nach einigen Jahren beschloss er allerdings, dass ihm diese Arbeit doch nicht gefiel. Jetzt studierte er im zweiten Jahr Fotografie, und Fotoaufnahmen waren auch der Grund für seinen bevorstehenden Besuch.
    Dylan würde am Freitag kommen und bis zum darauffolgenden Mittwoch bleiben. Oft genug hatte er sein Missfallen darüber geäußert, dass seine Großeltern in einem großzügigen Haus aus den dreißiger Jahren wohnten, wo sie doch ein elegantes, georgianisches Reihenhaus hätten haben können. Jetzt wollte er ein Portfolio von »anständigen« Häusern, wie er es nannte, zusammenstellen, insbesondere mit Fotos von den verschiedenen georgianischen Anlagen in der Stadt.
    Tony erklärte Alberta, wie gut es tat zu sehen, dass Dylan seine Arbeit ernst nahm; vielleicht wurde er ja wirklich endlich erwachsen. Alberta stimmte ihm zu, ja, so sehe es in der Tat aus, und erwähnte nicht, dass Tony exakt diese Gedanken in demselben hoffnungsvollen Tonfall mindestens viermal in den letzten zwei Jahren geäußert hatte.
    Tony rief Alberta aus London an und sagte, er und Dylan würden am Freitag

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