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Überraschung kommt selten allein

Überraschung kommt selten allein

Titel: Überraschung kommt selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Holt
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dich«, woraufhin er sich nachdenklich zurücklehnte und sagte: »Ich glaube nicht, dass ich dich liebe.« Hannah fühlte beinahe, wie ihr Herz brach.
    Ihrer Mutter hatte sie nie etwas von diesen Vorfällen erzählt, weil sie es nicht verstanden hätte. Hannahs Mutter war mit einem sonnigen Gemüt gesegnet, das wie ein Korken im Wasser immer oben schwimmen würde. Hannah war überzeugt davon, dass sie ihr Temperament von der väterlichen Seite geerbt hatte. Die Eltern ihres Vaters hatten sich nie von dem plötzlichen Verlust ihres einzigen Sohnes erholt, und beide starben nur wenige Jahre später. Einer an einer Hirnblutung, der andere an einem Herzinfarkt. Kaum anderthalb Jahre lagen dazwischen.
    Hannah war erst drei, als ihr Vater bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Sie konnte sich daran erinnern, wie ihre Mutter im Schlafzimmer bäuchlings auf dem Bett lag und ihr ganzer Körper vor Kummer zitterte. Und trotzdem hatte sie sechs Monate später Tony kennengelernt.
    Tony war in jeder Hinsicht gut gewesen. Zum Beispiel hatte ihre Mutter wieder angefangen zu lächeln, und sie waren aus dem düsteren Mausoleum ausgezogen, das das Heim ihrer Großeltern väterlicherseits war. Tonys Wohnung war klein und unordentlich, aber sie war immer voller Musik, und Tony schimpfte nie, wenn sie ihr Spielzeug auf dem Boden liegen ließ. Er brachte ihr Schnipp Schnapp bei und Memory, und wenn sie gewann, schlug er sich mit der Hand an den Kopf und brachte sie zum Lachen.
    Als Jacob geboren wurde, erwartete Hannah, dass sie eifersüchtig sein würde. Stattdessen spürte sie reine, bedingungslose Liebe, als ihre Mutter ihn ihr in die Arme legte und er in ihre Augen schaute.
    Jacob enttäuschte sie nicht, als er älter wurde. Als Martin Runner schließlich Schluss machte, kam Jacob in ihr Zimmer und stellte sich vor sie, während sie weinte. »Ich will zwei Dinge sagen«, begann er, nahm seine Brille ab und putzte sie mit dem Hemdsärmel. »Erstens: Wenn ich nicht dein Bruder wäre, würde ich mit dir ausgehen wollen, aber wenn ich ein Mädchen wäre, würde ich nicht mit Martin ausgehen wollen. Zweitens: Wenn du Martin ganz genau auf den Kopf schaust, wirst du sehen, dass seine Haare da oben ganz dünn sind. Denk an meine Worte: Noch ehe er dreißig ist, wird er eine Glatze haben.«
    Hannah musste gegen ihren Willen lächeln, nicht nur, weil Jacob bestimmt der einzige Zwölfjährige in Bath war, der Wendungen wie: »Denk an meine Worte« benutzte, sondern auch, weil die Vorstellung, wie Jacob eingehend Martins Haare untersuchte, zu komisch war.
    Hannah hatte vorgehabt, mit Martin zusammen in Durham zu studieren, doch jetzt änderte sie ihre Pläne und bewarb sich in Oxford – teils, weil niemand aus der Schule dort hinging, und teils, weil ihr Klassenlehrer es vorschlug. Sie verspürte nicht den Wunsch, das freie Jahr zwischen Schule und Studium in Bath zu verbringen, und fand einen Job bei einem Interessenverband für Gesundheitserziehung in London.
    Das erwies sich als gute Entscheidung. Sie hatte mit Spendenaktionen zu tun, organisierte Medienveranstaltungen, entwarf Poster und sprach sogar zu Schülern. Sie war nicht besonders talentiert im Entwerfen von Postern, dafür aber ein Crack, wenn es ums Argumentieren und Erstellen von Statistiken ging.
    Sie wohnte in Tonys Londoner Wohnung, was großen Spaß machte. Oft ging sie mit ihm zu verschiedenen Gigs in dunklen, kleinen Pubs oder zur Verleihung von Musikpreisen. Wenn Tony in Bath war, arbeitete sie sich durch die lange Bücherliste, die sie aus Oxford bekommen hatte.
    Sie war traurig, als der Job endete und sie Tonys gemütliche Wohnung verlassen musste. Sie nahm an, dass das Studium in Oxford genauso deprimierend sein würde wie die Schule. Ja sogar schlimmer, weil Kitty nicht da sein würde.
    Doch Oxford entpuppte sich als perfekte Stadt für Hannah. Sie hatte zwar keine Kitty mehr, aber dafür hatte sie Harrison Mills.
    Harrison war der erste Mensch, den sie in Oxford kennenlernte. Sie kamen zur selben Zeit bei der Lady Margaret Hall an – ihre Koffer und Mütter im Schlepptau. Als Erstes fielen ihr sein wunderbares Lächeln und sein äußerst merkwürdiger Pullover auf. Nachdem sie schnell festgestellt hatten, dass sie denselben Kurs belegt hatten, entledigten sie sich schleunigst ihrer Mütter und begannen sich auszutauschen.
    Harrison sah nicht besonders gut aus. Er war mittelgroß mit ebenmäßigen Zügen, bis auf ein Kinn, das ein wenig zu groß für sein Gesicht

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