Überwachtes Netz
angelegt. Die für die umfassende Überwachung Verantwortlichen in Politik und Behörden unterlaufen so die durch die Verfassungen in aller Welt verbürgten Garantien. Das US-Programm PRISM und das britische System Tempora stehen für einen Ansatz, der letztlich alles wissen will, nach einem dem ehemaligen DDR-Staatssicherheitsminister Erich Mielke zugeschriebenen Motto: Um wirklich sicher zu sein, muss man alles wissen.
Historischer Hintergrund
Viele Fakten, die jetzt aufgeregt diskutiert werden, sind seit langem bekannt. Seit dem Ersten Weltkrieg überwachte eine beim US-Verteidigungsministerium assoziierte Behörde ( Black Chamber ) den Brief- und Telegraphenverkehr der Botschaften in der US-Hauptstadt. Dieses schwarze Kabinett war der Vorläufer der heutigen National Security Agency (NSA). So lange zurück reichen auch die engen Beziehungen zwischen dieser Behörde und den Telekommunikationsunternehmen.
Die Depeschen der diplomatischen Vertretungen wurden – ohne gesetzliche Grundlage – über die Schreibtische der Spionageorganisation umgeleitet, dort kopiert und – soweit die Nachrichten verschlüsselt waren – nach Möglichkeit dekodiert. Darüber berichtet etwa David Kahn in seinem 1967 erschienenen Werk The Codebreakers .
Auch der Beginn des Computerzeitalters ist aufs Engste mit Geheimdiensten verbunden. Sogar das Konzept des modernen Universalcomputers, auf dem praktisch alle heutigen Systeme basieren, verdanken wir den Codebreakers im britischen Bletchley Park, allen voran dem hier tätigen Mathematiker Alan Turing. Ihnen gelang während des Zweiten Weltkriegs gar die Entschlüsselung des vom deutschen Militär eingesetzten Chiffriersystems ENIGMA.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Horcher und Lauscher weiterhin benötigt, jetzt allerdings für den Kalten Krieg zwischen den »Westmächten« und dem »Ostblock«. Die NSA wurde 1952 auf Anweisung des US-Präsidenten unter absoluter Geheimhaltung gegründet. Selbst ihre bloße Existenz wurde geheim gehalten und wurde erst 1957 eher beiläufig bekannt gegeben – hartnäckig hält sich deshalb bis heute der Scherz, NSA stehe für No Such Agency .
Stets ging es der NSA darum, sich ein möglichst umfassendes Bild von der weltweiten Kommunikation zu verschaffen. Dabei kooperierte man vornehmlich mit den anderen Mitgliedern des exklusiven Five Eyes -Clubs – außer den USA gehören dazu die Nachrichtendienste Großbritanniens, Kanadas, Australiens und Neuseelands. Bekannt geworden sind deren Aktivitäten in den 1990er Jahren zunächst unter dem Stichwort Echelon, einem System zur weltweiten Auswertung der Satellitenkommunikation.
1997 kam eine Studie, die im Auftrag des Europäischen Parlaments im Rahmen des Scientific and Technological Options Assessment Programme (STOA) erstellt worden war, zu dem Ergebnis, dass sämtliche Kommunikation via E-Mail, Telefon und Fax von der NSA routinemäßig überwacht werde – auch innerhalb Europas. Nach weiteren Studien hat das Europäische Parlament 2001 einen umfassenden Bericht veröffentlicht, der zwar die Existenz von Echelon bestätigte, nicht aber alle ihm zugeschriebenen Eigenschaften, namentlich nicht die behauptete Totalüberwachung der Telekommunikation.
Zwar war Echelon zunächst gegen den »Ostblock« gerichtet. Allerdings wurde es auch nach dessen Auflösung 1990 weiter betrieben, offenbar auch unter Beteiligung weiterer Geheimdienste, etwa des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND).
Seit dem Aufbau von Echelon vor mehr als fünfzig Jahren hat sich die Welt der Telekommunikation allerdings drastisch verändert. Die Bedeutung der Satellitentechnik im Fernmeldeverkehr hat stark abgenommen. Der bei Weitem bedeutendste Teil der globalen Kommunikation wird heute über Glasfaserkabel abgewickelt. Zudem wurde die Telekommunikation digitalisiert. Praktisch die gesamte elektronische Kommunikation – auch der Telefonverkehr – wird heute über die durch das Internet bereitgestellte Infrastruktur abgewickelt. Insofern verwundert es nicht, dass die Energien der Überwacher sich in den letzten zwanzig Jahren verstärkt dem Internet zugewandt haben.
Vom Need to Know zum Need to Share
Die vornehmlich von Nachrichtendiensten verantworteten Aktivitäten hatten zunächst keinen erkennbaren Einfluss auf das in den 1970er und 1980er Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelte Datenschutzrecht. Zu speziell erschienen die Bedingungen, unter denen Geheimdienste arbeiteten. Und nach der seinerzeitigen Wahrnehmung
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