Ufer des Verlangens (German Edition)
Fischerboot mit zerbrochenen Planken lag auf dem Trockenen, Möwen zogen kreischend ihre Bahn, und das Meer warf kleine Wellen gegen das Ufer.
»Ich bin dir gefolgt«, sagte Allistair plötzlich. »Gleich, nachdem ich erfahren habe, was mit Joan geschehen ist, habe ich mein Pferd gesattelt und bin dir nachgeritten.«
Zelda sah ihn ungläubig an. »Und warum hast dumich dann erst jetzt gefunden? Warum bist du vor mir weggelaufen? «
Allistairs Mund verzog sich zu einem schmalen Lächeln. »Ich kenne dich nicht in solch vornehmen Kleidern und hätte dich auch niemals allein im Hafen vermutet. Du hast dich verändert. Wie kannst du erwarten, dass ich dich erkenne?«
»Du hättest stehen bleiben können, als ich dich rief. Aber du hast deine Schritte noch beschleunigt.«
»Nun, der Lärm im Hafen ist groß. Ich habe dich nicht rufen hören.«
Zelda ließ nicht locker. »Du hättest im Haus meiner Tante nach mir fragen können. Aber woher wusstest du eigentlich, dass ich in Edinburgh bin?«
Allistair antwortete nicht. Er sah sich nach allen Seiten um, dann senkte er den Blick auf das Pflaster der Straße und kratzte mit der Spitze seines Stiefels über den Stein. Es dauerte eine kleine Weile, bis er schließlich erwiderte: »Ich dachte mir einfach, dass du in Edinburgh bist. Aber ich hatte vergessen, dass hier die Schwester deines Vaters lebt.«
Zelda glaubte ihm kein Wort, doch sie winkte ab. Das Gespräch war sinnlos und unwichtig. Wichtig war nur, dass sie endlich einen Mann gefunden hatte, der ihr bei der Suche und Befreiung Joans helfen konnte und der außerdem stark genug war, um es mit Ian Laverry notfalls aufnehmen zu können. Aber irgendetwas an Allistair war merkwürdig. Sie kannte ihn, seit sie denken konnte. Sie kannte ihn als Feind. Aber nicht einmal bei ihren schlimmsten Auseinandersetzungen hatte er so abweisend gewirkt. Irgendetwas war hier im Busch. Das spürte Zelda so deutlich wie ihren Herzschlag.
»Warum fragst du nicht, ob ich Joan gefunden habe?«,bemerkte Zelda mit der Stimme eines Richters und betrachtete Allistair von oben bis unten.
»Hast du sie gefunden?«, fragte ihr zukünftiger Gemahl zurück.
Zelda schüttelte den Kopf. Dann ließ sie sich auf einer Klippe nieder, winkte Allistair, sich ebenfalls zu setzen, und erzählte ihm die ganze lange Geschichte ihrer Reise.
Auch von Ian Laverty berichtete sie, doch ihre widersprüchlichen Gefühle verschwieg sie wohlweislich. Immerhin würde sie mit dem Mann, der jetzt wie ein vollkommen Fremder neben ihr saß, schon in wenigen Wochen Tisch und Bett teilen. Das hieß, wenn sich nicht in dieser Hinsicht auch noch etwas änderte.
»Ich vermute nun, dass Ian Laverty der Kopf eines Mädchenhändlerringes ist, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, unschuldige Schottinnen nach Frankreich zu verschleppen. Auch mit mir sprach er über die Möglichkeit, auf dem Kontinent ein neues Leben zu beginnen. Ich bin ganz sicher, dass die Frau aus der Roten Laterne nicht Joan ist, aber ich habe mir auf jeden Fall für morgen eine Schiffspassage nach Frankreich gekauft. Es wäre gut, wenn du mich begleiten könntest.«
Allistair nickte und sah nachdenklich auf das Meer hinaus. Er schwieg eine Weile, und Zelda sah, dass er die Augenbrauen gerunzelt und die Stirn in Falten gelegt hatte, als dächte er intensiv nach.
Doch schon räusperte er sich und sagte mit großer Bestimmtheit: »Zelda, ich möchte nicht, dass du nach Frankreich fährst. Ein Schiff ist nicht der richtige Ort für eine junge Lady und das Land der Franzosen schon gar nicht. Ich wage nicht, mir auszumalen, was dir alles zustoßen könnte. Als dein zukünftiger Mann verbieteich dir, morgen in aller Herrgottsfrühe an Bord dieser Karavelle zu gehen.«
»Und Joan? Soll ich sie vielleicht ihrem Schicksal überlassen? Niemals, Allistair. Und wenn es mich den guten Ruf um meine Tugend kostet: Ich lasse Joan nicht allein in den Händen dieses Mädchenräubers! «
»Zelda, es gibt noch andere Möglichkeiten«, erwiderte Allistair und sah sie so streng an, dass Zelda begriff, er würde alles daran setzen, um sie an dieser Reise zu hindern.
Sie warf verzweifelt die Hände in die Luft und kämpfte gegen die Tränen an, die ihr in die Augen stiegen und den Blick verschleierten. »Welche denn? Was kann denn noch getan werden, was ich nicht schon getan hätte! Du kennst lan Laverty nicht. Er windet sich wie ein Aal. Nicht ein Wort konnte ich ihm entlocken. Er ist raffiniert, wie es nur Gangster sein
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