Ufer des Verlangens (German Edition)
Klarheit wieder aufzunehmen.
Trotzdem war sie mehr als froh, nicht mehr allein zu sein. Mochte Allistair sich auch verändert haben, eines wusste Zelda mit Sicherheit: Er würde dafür sorgen, dass Zelda und Joan nichts zustieße. Er würde alles tun, was in seinen Kräften stand, um sie vor Schaden zu bewahren.
Es war ein ungeschriebenes Gesetz, dass die Highlander einander beistanden. Und selbst verfeindete Clans vergaßen in der Fremde ihre Feindseligkeiten und hielten zusammen wie Pech und Schwefel.
»Laverty wartet am Abend im Hafen auf mich. So sagte er jedenfalls«, berichtete Zelda. »Nach Einbruch der Dunkelheit liegt das Gelände in völliger Verlassenheit. Vielleicht gelingt es uns, ihm dort eine Falle zu stellen.«
Allistair nickte bestätigend, doch Zelda redete schon weiter: »Wie wollen wir es bewerkstelligen, dass er uns alles sagt, was er über Joan weiß? Ich habe mehrmals vergeblich versucht, ihn zum Reden zu bringen. Doch er vertröstete mich immer und versprach, in wenigen Tagen all meine Fragen zu beantworten.«
Plötzlich kam Leben in Allistair, der seit einer ganzen Weile schon wie erstarrt dagesessen hatte. »Ich wusste gar nicht, dass du lan Laverty besser als nur flüchtig kennst.«
Zelda schlug die Augen nieder. Was sollte sie Allistair, den sie bald heiraten würde, nur sagen? Dass sie sich in Ian verliebt hatte? Dass sie sich sogar geküsst hatten?
Unmöglich!
»Ich habe die Waffen einer Frau eingesetzt, um zu erfahren, was ich wissen muss. Doch es hat nicht geklappt. Sicherlich bin ich mit dieser Art und Weise des Kampfes nicht vertraut genug.«
Zeldas Stimme klang ein wenig unsicher bei diesen Worten, und Allistair lächelte, als er begriff, dass diese Unzulänglichkeit an Zeldas Selbstbewusstsein kratzte.
»Meine Waffen haben versagt«, fuhr sie fort. »Nun musst du wohl mit den Waffen der Männer gegen ihn kämpfen.«
»Vielleicht kann man ihm sein Geheimnis nur mit Gewalt entlocken. Spätestens im Angesicht des drohenden Todes wird er reden.«
Der Gedanke allein ließ Zelda einen eiskalten Schauer über den Rücken laufen. Sie fröstelte und schlang die Arme um ihren Körper, um sich zu wärmen. Doch die Kälte blieb.
Sie kam aus ihrem tiefsten Innern. Zelda wusste, wie die Männer aus den Highlands kämpften. Auge um Auge, Zahn und Zahn. Und sie wusste auch, dass Allistair Kingsley seinen Feind – und das war Ian Laverty – nicht schonen würde. Sie betrachtete den Mann an ihrer Seite, sah den muskulösen Brustkorb, die kräftigen Arme, die starken Hände, die das Zupaeken gewöhnt waren. Und sie dachte an Ian Laverty, der zwar ebenfalls groß und stark gebaut war, aber wohl doch weniger Kraft hatte als Allistair, der seine Muskeln jahrelang bei harter Arbeit auf den Manors gefordert hatte.
Zelda wusste, es würde Blut fließen. Und sie wussteauch um die Möglichkeit, dass nur einer der beiden Männer den Kampfplatz lebend verlassen würde.
Ihr Herz zog sich so schmerzhaft bei diesem Gedanken zusammen, dass sie sich krümmte. Ein Zittern befiel sie, das von der Kälte in ihrem Innern rührte.
Sie hatte Angst um Ian Laverty, wusste aber gleichzeitig, dass es wohl keine andere Möglichkeit gab, Joan zu finden und nach Hause zu bringen. Das Leben ihres Liebsten gegen das Leben der geliebten Schwester.
Zelda stand auf. Ihr Atem ging schwer, und ihre Glieder fühlten sich plötzlich steif an.
»Wann treffen wir uns heute Abend?«, fragte sie mit zitternder Stimme. »Wann wirst du Ian Laverty in den Hafen locken?«
Allistair wiegte den Kopf hin und her. »Ab wann erwartet er dich dort? Wenn er ohnehin jeden Abend im Hafen ist, so brauche ich keine List anzuwenden, die ihn misstrauisch macht. Ihn zu überraschen, wäre für uns von großem Vorteil.«
Zelda seufzte und schloss für einen Augenblick die Augen. Sie musste Ian Laverty ans Messer liefern. Sie hatte keine andere Wahl. Sie war in der Situation, sich zwischen zwei Menschen, die sie liebte, entscheiden zu müssen. Einem von beiden würde ein Leid geschehen, und Zelda konnte nichts, überhaupt nichts tun, um beide vor dem Leid zu bewahren.
Wieder überlief sie ein eiskalter Schauer. Sie schloss ganz kurz die Augen, um die Gefühle, die in ihrem Innern tobten, zur Ruhe zu bringen. Doch es gelang ihr nicht.
Die ganze Last der Verantwortung lag auf Zeldas Schultern und drückte sie fast zu Boden. Egal, was sie tat, sie würde einen geliebten Menschen ins Unheil stürznund Schuld auf sich laden. Schuld vor Gott
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