Ufer des Verlangens (German Edition)
stand sie vor ihm und verlangte mit fester Stimme: »Ich beabsichtige, morgen mit einem Schiff nach Frankreich zu reisen. Bitte gebt mir eine Kabine auf dem ersten Segler und sorgt dafür, dass in meiner Nachbarschaft auf dem Schiff anständige Leute sind.«
Der Hafenmeister blinzelte sie an. Dann sagte er, in dem er sie von oben nach unten musterte: »Ich könnte schwören, ich kenne Euch. Wart Ihr nicht vor kurzer Zeit hier und habt nach jemandem gefragt?«
Zelda hatte wenig Lust, dem Hafenmeister zu antworten. Sie hob die Nase, runzelte ein wenig die Augenbrauen und sagte mit strenger Liebenswürdigkeit: »Ichbitte Euch, mich nicht aufzuhalten. Es gibt noch viel zu tun für mich. Ihr wisst ja, wie das ist. Sachen müssen herausgesucht und in Reisetruhen verladen werden, Träger müssen kommen, um das Gepäck auf das Schiff zu bringen.«
»Gewiss. Ich verstehe Euch sehr gut, Mylady. Doch bitte sagt mir, wo Eure Bediensteten untergebracht werden sollen? Ich nehme an, Ihr habt vorgesehen, sie auf dem Deck schlafen zu lassen? Oder wäre Euch ein Platz im Laderaum lieber? Nun, er ist zwar ein wenig teurer, aber Ihr könnt gewiss sein, dass Euch so keine Magd und kein Knecht verloren gehen, wenn ein Sturm losbricht und sich die Menschen von Deck holt, um sie in die Unterwelt zu bringen.«
»Ich hätte gern zwei Schlafplätze unter Deck«, bestimmte Zelda und legte sehr viel Nachdruck in ihre Stimme, denn das Verhalten des Hafenmeisters zeigte ihr eindeutig, dass eine junge Frau gewöhnlich nicht allein und ohne männliche Begleitung hierher kam und um eine Passage auf einem Schiff nachsuchte. Doch er war hier nicht für Moral, Anstand und Tugend zuständig, sondern dafür, dass die Karavellen seiner Reederei voll ausgelastet ihren langen Weg über das Meer antraten.
Der Hafenmeister veranlasste also, dass für Zelda eine Kabine freigehalten wurde und des Weiteren zwei Schlafplätze im Laderaum für ihre Bediensteten zur Verfügung standen. Dann nannte er einen Preis, dessen Höhe Zelda schier den Atem verschlug, doch der dank der liebenvollen Zuwendung ihrer Tante für sie kein Problem darstellte. Sie legte die geforderte Summe auf den Kontortisch, grüßte freundlich und verließ, noch immer das Kinn nach vorn gereckt, den Rücken gestrecktund die Schultern nach hinten gezogen, die Ha-fenmeisterei.
Vor der Tür atmete sie auf. Zum ersten Mal seit vielen Tagen huschte ein zufriedenes Lächeln über ihr Gesicht.
Morgen hatten die Suche nach Joan und die Ungewissheit über ihr Schicksal endlich ein Ende. Sie würde ihre Schwester sehen, würde mit ihr reden und sie schließlich zurück nach Schottland und auf die McLain-Manors bringen.
Übermütig und plötzlich felsenfest davon überzeugt, dass alles gut werden würde, schlenkerte Zelda mit dem Arm, atmete einmal tief ein und aus und betrachtete die Möwen, die sich kreischend auf die Abfälle in der Nähe der Kaimauer stürzten.
Sie atmete die würzige Meeresluft, sog tief den Geruch nach Meer, Tang und Fisch in sich ein und betrachtete schließlich voller Genugtuung den Himmel, der an einer Stelle aufgerissen war. Zögerlich wagte sich ein Sonnenstrahl hervor und malte einen hellen Streifen auf das geblähte Segel der großen Karavelle, die ab morgen für ein paar Tage Zeldas neues Zuhause sein würde.
Langsam, mit der Hand die Augen beschirmend, ging sie in die Nähe des Kais, um das Schiff ausführlich zu betrachten.
Der Dreimaster wurde soeben beladen.
Eine feste Schräge führte vom Deck bis hinunter auf den Kai. Männer rollten schwere Fässer die Schräge hoch, und Zelda sah, dass ihre Muskeln zum Zerreißen gespannt waren. Die Anstrengung hatte die Gesichter der Hafenarbeiter rot gefärbt, die nackten Oberkörper glänzten vor Schweiß.
Mehrere Fuhrwerke warteten darauf, dass ihre Ladung ebenfalls auf das Schiff verbracht wurde.
Aus den Highlands kamen zwei der Fuhrwerke, die Zelda am Wappen erkannte. Sie hatten Wolle geladen. Feine, weiche Schafswolle, für die die Highlands berühmt waren.
Aus England kamen Ballen mit feinem Tuch, Leinen und einem grob gewebten Stoff, den Zelda noch nie gesehen hatte.
Mehrere Fässer waren mit Pech verschmiert, und Zelda glaubte zu wissen, dass sich darin wertvolle Bücher befanden, die von den Mönchen der Klöster hergestellt worden waren.
Lange stand sie so und sah den Arbeiten zu, doch dann bemerkte sie, dass ihre Anwesenheit einige Aufmerksamkeit hervorgerufen hatte.
Die Männer warfen ihr Blicke zu, die
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