Ufer des Verlangens (German Edition)
beinahe schlecht wurde. Sie richtete sich ein wenig auf, doch jede noch so kleine Bewegung bereitete ihr unerträgliche Schmerzen. Trotzdem gelang es ihr, mit den Händen an der Falle zu ziehen, in der ihr Fuß wie festgeschraubt steckte. Doch gleich darauf unterdrückte sie einen kleinen Schrei; beim Anblick des Blutes, das aus der Wunde quoll, wurde ihr noch schlechter.
Sie atmete einmal tief ein und aus und versuchte erneut, den Fuß aus der Falle zu befreien, doch vergeblich. Der einfache Mechanismus, der mit einen winzigen Hebel dafür sorgte, dass die Falle wieder aufging, war außerhalb ihrer Reichweite. Sie konnte sich recken und strecken, doch sie kam einfach nicht dran.
»Ist alles in Ordnung?«, hörte sie den Fremden rufen. »Seid Ihr angezogen?«
Zelda antwortete nicht. Vor Schmerz, Scham und Wut traten ihr Tränen in die Augen, denn sie wusste, dass ihr keine andere Möglichkeit blieb, als den Mann um Hilfe zu rufen, wollte sie jemals wieder aus dieser misslichen Lage herauskommen. Dazu der Schmerz! Zelda wusste nicht, was schlimmer wehtat: der blutende, gequetschte Knöchel oder das Wissen, sich gleich einem völlig Fremden nackt und bloß zeigen zu müssen.
»Wo seid Ihr?«, hörte sie die Stimme des Mannes. »Habt Ihr jetzt etwa eine Fährte aufgenommen?« Sie hörte ihn lachen. »Zutrauen würde ich Euch, dass Ihr auf Männerjagd gegangen seid.«
»Nein«, schluchzte Zelda. »Ganz im Gegenteil. Ich bin gefangen.«
»Wart Ihr das? Habt Ihr etwas gesagt?«
Der Mann rief nach ihr, und Zelda wusste genau, dass ihre Worte viel zu leise gewesen waren. Sie nahm allen Mut zusammen und rief nun laut: »Ich sitze in einer Falle fest. Bitte helft mir!«
Schicksalsergeben ließ sie sich auf den weichen Waldboden sinken. Sie schloss die Äugen, um den Triumph, den der Fremde zweifellos bei ihrem Anblick empfinden musste, nicht auch noch mit ansehen zu müssen, und harrte der Dinge, die da hoffentlich bald kämen.
Schon hörte sie die Schritte des Mannes. Sie hielt die Luft an und wartete auf ein spöttisches Lachen und höhnische Worte, doch stattdessen rief er: »Oh, Gott, ich wusste ja nicht, dass Ihr verletzt seid. Keine Sorge, gleich seid Ihr frei. Habt Ihr große Schmerzen?«
Zelda biss die Zähne zusammen und schüttelte den Kopf. Sie hörte, wie der Fremde sich niederbeugte und am Mechanismus der Falle hantierte. Ganz behutsam ging er zu Werke und sprach dabei beruhigend auf sie ein, als wäre sie ein Kind.
»Ganz ruhig, seid ganz ruhig«, sagte er. »Gleich ist es vorbei, gleich seid Ihr befreit. Pst, pst.«
Waren es die Scham, die Ohnmacht oder die tröstenden Worte, die ihr die Tränen in die Augen trieben? Zelda wusste es nicht und wollte es in diesem Augenblick auch gar nicht wissen. Sie hatte nur den einen Wunsch: so schnell wie möglich von hier zu verschwinden und sich unter ihrer Bettdecke vergraben, das Kissen über den Kopf gezogen.
Sie spürte, wie der Schmerz, dieses unerträglicheStechen, plötzlich aufhörte und einem dumpfen Brennen wich.
Dann hörte sie das Reißen von Stoff und die Worte des Fremden: »Bleibt ganz ruhig liegen, ich laufe schnell zum See. Die Wunde muss gereinigt werden, damit sie sich nicht entzündet.«
Sie hörte davoneilende Schritte und öffnete die Augen einen winzigen Spalt. Sie sah den Fremden in Richtung See hasten, in der einen Hand ein Stück weißen Stoff, dafür einen Arm nun ohne Ärmel.
Er hat sich sein Hemd zerrissen für mich, dachte sie und musste schon wieder weinen. Doch da kam er vom See zurück, der Stoff war jetzt tropfnass, und Zelda schloss schnell wieder die Augen.
Sie spürte, dass er ihren Fuß ganz sanft anhob, ihn auf seinen Schoß legte, ungeachtet dessen, dass die Wunde seine Beinkleider mit Blut beschmutzen könnte. Dann wischte er mit unendlicher Behutsamkeit die Wunde sauber. Dabei sprach er in seiner tröstlichen Kindersprache mit ihr.
»Es sieht schlimmer aus, als es ist. Gleich ist es vorbei, gleich ist die Wunde sauber. Nur noch hier ein bisschen und jetzt noch dort. Ihr seid wirklich sehr tapfer. Ruhig, ganz ruhig liegen bleiben. Gleich ist alles vorbei.«
Zelda spürte die Tränen über ihr Gesicht, über ihren Hals bis hinunter auf die Brüste laufen, die sie mit beiden Armen bedeckt hielt. Und wieder wusste sie nicht, warum sie weinte, woher die Tränen kamen. Waren es die tröstenden Worte, die eine unbekannte Schleuse in ihr geöffnet hatten? Sie schluchzte wie ein Kind, ließ die Tränen einfach rinnen und
Weitere Kostenlose Bücher