Ufer des Verlangens (German Edition)
machte keinen Hehl daraus, dass er sie nicht liebte. Seine Blicke ruhten freundlich, aber ohne Begehren auf ihrem Gesicht. Sie wusste, dass er ihr ein guter, fürsorglicher Ehemann sein würde. Ein Mann, auf den sie sich verlassen konnte, der zu ihr stand, auch wenn er keine tiefen Gefühle für sie hegte. Allistair Kingsley war ein Mann von Stolz und Ehre, der wusste, was sich gehörte, wusste, was von ihm erwartet wurde.
Gemeinsam würden sie dafür Sorge tragen, dass der Frieden in den Highlands hergestellt wurde und erhalten blieb. Gemeinsam würden sie dafür sorgen, dass die Geschlechter der McLains und der Kingsleys weiterlebten. So war es Sitte, so war es wohl auch der Wille Gottes und der Wille ihrer Väter. Und sie würden diesen Willen akzeptieren und versuchen, das Beste daraus zu machen.
»Nun, willst du mich zu deinem Mann nehmen, Lady Zelda McLain?«, fragte Allistair Kingsley.
Seine Stimme klang ruhig und überlegt.
Zelda nickte. Sie sah ihm ebenso ehrlich in die Augen, dann antwortete sie: »Ja, Lord Allistair Kingsley. Auch ich bin bereit, deine Frau zu werden, dich zu achten und zu ehren.«
Der alte Lord Kingsley klatschte in die Hände.
»Gut, gut«, freute er sich. »Dann hätten wir das Schlimmste schon hinter uns.«
Er lachte über seinen eigenen Scherz, doch in diesem Moment stand Joan auf. Sie war weiß, kreideweiß. Aus ihren sonst so roten Lippen war jedes Blut gewichen. Sie schwankte ein wenig und musste sich an der Lehne festhalten, um nicht zu fallen.
»Ist dir nicht gut, Joan?«, fragte Zelda, sprang auf und schlang den Arm um Joans Hüfte.
Doch Joan machte sich unwillig los.
»Lass mich, Zelda. Ich glaube, ich werde mich ein wenig hinlegen und ausruhen müssen. Die Ereignisse der letzten Tage waren vielleicht doch etwas zu viel für mich.«
»Warte, ich bringe dich auf dein Zimmer«, bot Zelda an, doch Joan schüttelte den Kopf.
»Danke, ich kann allein gehen. Du wirst hier gebraucht.«
Sie nickte noch einmal grüßend in die Runde, dann ging sie mit schleppenden Schritten die Treppe hoch und verschwand.
Alle am Tisch sahen ihr nach, und so bemerkte niemand, dass Allistair Kingsley eine Hand zur Faust ballte und sie so fest zusammenpresste, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten und sich die Nägel tief und schmerzhaft in die Innenfläche der Hand bohrten.
»Nun, da jetzt alles geklärt ist, schlage ich vor, mit der Verlobung nicht mehr allzu lange zu warten«, sagte Lord Kingsley, als Joan ihren Blicken entschwunden war.
Lord McLain nickte. »Der Mai ist ein wunderschöner Monat für Herzensangelegenheiten. Wie wäre es, wenn wir die Verlobung schon am nächsten Wochenende feierten?«
»Je eher, desto besser«, lachte der alte Kingsley und schlug seinem Sohn freundschaftlich auf die Schulter.
Der schrak zusammen, als wäre er in Gedanken gewesen.
»Na, Allistair, was meinst du dazu?«
»Wozu?«, fragte der Angesprochene und wirkte noch immer etwas abwesend.
Die beiden älteren Herren lachten, und auch Connor, der Verwalter, musste schmunzeln.
»Wir haben eure Verlobung für das nächste Wochenende festgelegt. Am Sonntag wird in der Kapelle der McLain-Manors ein Bittgottesdienst stattfinden, und danach gibt es ein zünftiges Verlobungsmahl.«
»So bald schon?«, fragte Allistair. Der Ausdruck seines Gesichtes ließ keinen Zweifel daran, dass ihm die Sache zu schnell ging.
»Warum nicht?«, fragte sein Vater. »Wenn die Saat reif ist, so soll man sie ernten.«
Allistair nickte ergeben und sah zu Zelda. »Bist du auch einverstanden damit?«, fragte er vorsichtig.
Zelda zuckte mit den Achseln. »Dein Vater hat Recht. Warum Dinge, die beschlossen und verkündet sind, noch auf die lange Bank schieben? Sie werden dadurch nicht besser.«
»Gut«, stimmte nun auch Allistair zu. »Wenn es denn so sein soll, dann soll es so sein.«
Der alte Lord McLain rief nach diesen Worten die Magd herbei und hieß sie, den besten Branntwein aus dem Keller zu bringen, um auf die Ergebnisse des heutigen Tages anzustoßen.
Als Zelda am Abend in ihrem Bett lag, überdachte sie noch einmal den Tag. Der Fremde aus dem Wald ging ihr nicht aus dem Kopf, obwohl sie sich nach Kräften bemühte, jeden Gedanken an ihn zu verdrängen. Dochimmer wieder erschien vor ihrem geistigen Auge sein Bild, immer wieder stieg ihr die Erinnerung an seinen Geruch in die Nase, und sie spürte den sanften Druck seiner warmen Lippen auf ihren.
Das Gefühl von Verlust stieg in ihr auf und ließ sie
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