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Ufer des Verlangens (German Edition)

Ufer des Verlangens (German Edition)

Titel: Ufer des Verlangens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Hamilton
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schlucken.
    Gestern war sie noch bereit gewesen, Allistair Kings-leys Frau zu werden. Gestern noch hatte sie gehofft, ihn eines Tages lieben zu können. Seit heute aber wusste sie, dass ihr Herz einem anderen gehörte. Einem Mann, den sie zwar kaum kannte, der aber ihr Inneres berührt hatte, dem sie sich so vertraut und nahe gefühlt hatte wie keinem Mann je zuvor.
    Sie hatte immer gewusst, dass es irgendwo auf der Welt einen Mann gab, der für sie bestimmt war. Heute nun hatte sie ihn kennen gelernt – und musste ihn sogleich wieder verloren geben.
    Tränen stiegen in ihr auf, rollten über die Wangen. Heiße Tränen, die in der Brust schmerzten und bewirkten, dass sie sich einsam und verloren fühlte.
    Sie würde Allistair heiraten. Sie würde seine Frau werden, ohne ihn zu lieben und ohne von ihm geliebt zu werden. Es war ein hoher Preis, den sie für den Frieden bezahlen musste. Doch noch immer war Zelda viel zu sehr eine Tochter der Highlands, als dass sie nicht gewusst hätte, wie wichtig dieser Frieden für alle Beteiligten war.
    Und noch immer war sie bereit, alles für diesen Frieden zu tun.
    Sie würde ihn vergessen, den Fremden. Sobald sie mit Allistair verlobt war, würde sie sich jeden Gedanken an ihn verbieten. Aber einmal, ein einziges Mal noch wollte sie ihn sehen. Einmal noch seine warmen Lippenauf ihrem Mund spüren, einmal sich an seine breite Brust schmiegen und von seinen starken Armen gehalten werden. Einmal noch ihn riechen und schmecken und diesen Geruch und Geschmack tief und für immer in ihrer Brust verschließen.
    Und mit diesen Gedanken schlief Zelda ein.
    Hatte Gott ihr Gebet erhört?
    Fast schien es so, denn am nächsten Morgen beim Frühstück war es der alte Lord McLain selbst, der Zelda zum See schickte.
    »Wir brauchen Maikraut für die Feier am Sonntag. Die Köchin meinte, wir könnten nicht nur Ale reichen; die Frauen würden ein Getränk aus Wasser mit einem winzigen Schuss Essig und Maikraut so lieben. Deshalb, Zelda, bitte ich dich, zum See zu reiten. Du wirst dort gewiss das Kraut finden.«
    »Wenn du möchtest, begleite ich dich«, sagte Joan, die heute nicht mehr ganz so bleich, aber immer noch leidend aussah. »Ein Aufenthalt an der frischen Luft kann mir nicht schaden.«
    Zelda erschrak. So gern sie Joan auch um sich hatte, heute konnte sie die Schwester gewiss nicht brauchen. Zelda wusste selbst nicht, wieso, aber sie war sich ganz gewiss, den Fremden heute am See wiederzusehen. Ja, sie war sich sogar sicher, eine innere Stimme zu hören, die ihr befahl, rasch aufzubrechen.
    »Joan, verzeih, aber heute ergeht es mir so wie dir gestern. Ich brauche ein wenig Zeit, um mich an den Gedanken zu gewöhnen, schon in wenigen Tagen verlobt zu sein. Auch für mich geht das gewohnte Leben hier im Gutshaus zu Ende. Und auch ich habe das Bedürfnis, Abschied zu nehmen.«
    Joan sah sie an und nickte. In ihrem Blick lag Verständnis.
    »Unsere Kindheit und unsere Jugend gehen zu Ende, nicht wahr? Wir sind erwachsen jetzt«, meinte sie.
    Einer Eingebung folgend, stand Zelda auf, kniete sich vor ihrer Schwester auf den Boden und legte den Kopf in Joans Schoß.
    »Ach, Joan«, seufzte sie. »Die Kindheit und Jugend zu verlassen, ist nicht das Schwierigste. Aber dich nicht mehr jeden Tag um mich haben zu können, schmerzt mich sehr.«
    Behutsam streichelte Joan Zeldas wilde rote Locken. Sie seufzte, bevor sie sagte: »Wir werden uns so oft sehen, wie wir nur können, Zelda. In Gedanken aber werde ich bei dir sein. Immer.«
    Dann schob sie Zelda von sich, stand auf und strich die Röcke glatt.
    »Wir sollten uns die letzten Tage nicht schwerer machen, als sie es ohnehin sind«, sagte sie und umarmte Zelda.
    »Lächle«, bat sie. »Ich kann es nicht ertragen, dass du traurig bist. Wir haben allen Grund zur Freude. Der Krieg ist vorbei.«
    »Ja«, erwiderte Zelda und rang sich ein Lächeln ab. »Der Krieg ist vorbei. Nur das allein zählt.«
    Dann drehte sie sich um und lief in den Stall, um Rose zu holen.
    Wieder ritt sie so, wie es sich für eine Lady gehörte, bis das Gutshaus außer Sicht war, und schwang nach der ersten Wegbiegung ihr Bein über Rose, sodass sie rittlings auf ihr saß. War gestern ihr Ritt ungestüm und wild gewesen, so ließ sie heute die Zügel locker und die Stute das Tempo bestimmen.
    Am Waldrand stieg sie ab und führte Rose über einen schmalen Pfad bis hin zum See. Wie gestern lag der Wald still da, der See glitzerte im Sonnenlicht wie flüssiges Glas, der Duft

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