Ufer des Verlangens (German Edition)
der Pflanzen und des Bodens drang in ihre Nase.
Zelda sah sich um und spürte die Enttäuschung wie einen Schlag. Der Fremde war nicht da. Sie war allein.
Niedergeschlagen band sie die Stute an denselben Baum wie tags zuvor, dann raffte sie ihr Kleid und ging langsam, sich immer wieder umsehend, ein Stück am Waldrand entlang, um das Maikraut zu pflücken.
Es ist besser, dass ich ihn nicht wiedersehe, tröstete sich Zelda, doch die Enttäuschung lag weiter wie ein schwerer Stein auf ihrer Brust.
Plötzlich hörte sie leise Schritte hinter sich. Eine Hand legte sich über ihre Augen, ein Gesicht schmiegte sich von hinten in ihr Haar.
Sie erkannte ihn an seinem Duft. Wild und männlich stieg er ihr in die Nase. Die Freude durchfuhr sie wie ein warmer Sonnenstrahl, ließ ihr Herz höher schlagen.
Sie fasste nach seinen Händen, er wirbelte sie zu sich herum, und schon lagen seine Lippen auf ihren.
»Ich habe auf dich gewartet«, hörte sie ihn dicht an ihrem Ohr flüstern, und sein heißer Atem strich über ihren Hals wie eine kleine Flamme.
»Ich habe mir so gewünscht, dass du kommst.«
»Ich habe es mir auch gewünscht«, flüsterte Zelda.
Wieder fanden sich ihre Lippen zu einem Kuss, doch diesmal war er von einer fordernden Zärtlichkeit, die Zelda eine ungekannte Hitze durch die Glieder trieb.
Sie hatte das Gefühl, als begänne das Blut in ihren Adern zu kochen. Ihre Haut hatte sich in eine kribbelnde Landschaft verwandelt. Sie drängte sich nah anden Fremden, presste ihren Körper gegen seinen und versank in dem Kuss.
Erschöpft hielten sie inne.
Der Fremde lachte leise und zog Zelda zum Rand der Wiese. Er hatte dort seinen Umhang unter die schützende Krone eines Baumes gebreitet. Geschmeidig ließ er sich darauf nieder, zog Zelda in seine Arme und bedeckte ihr Gesicht mit Küssen.
Als Zelda wieder zu Atem kam, richtete sie der Fremde halb auf, sah ihr in die Augen und fragte: »Wer bist du?«
»Ist das so wichtig?«, wich Zelda aus. Sie konnte ihm unmöglich sagen, wer sie war. Sie kannte ihn nicht, wusste nicht, was ihn in diese doch recht verlassene Gegend getrieben hatte. Die Kunde ihrer bevorstehenden Verlobung mit Allistair Kingsley würde in den umliegenden Dörfern und Weilern schon sehr bald die Runde gemacht haben. Zelda wollte nicht, dass der Fremde sie für ein loses Frauenzimmer hielt, das sich hier am See von ihm küssen ließ, aber schon einem anderen versprochen war.
Der Mann lachte, pflückte einen Grashalm und fuhr damit über Zeldas Hals bis hinab zu den Ansätzen der Brüste.
»Du bist mir wichtig«, erwiderte er. »Ich möchte alles von dir wissen. Wie du heißt, wo du herkommst, wie du lebst und wo du lebst, was du machst, wünschst, träumst. Alles möchte ich über dich erfahren.«
Zelda lachte, aber es war kein frohes Lachen. Sie durfte dem Fremden nichts von sich verraten. Und keiner durfte jemals erfahren, dass sie sich hier am See mit einem Fremden getroffen hatte. Zwar liebte sie Allistair Kingsley nicht, doch er hatte das Recht, eine ehrbare, unschuldige Frau zu heiraten. Erfuhr auch nur irgendwervon diesem heimlichen Stelldichein, so war der Friede in Gefahr. Nein, so gern sie auch wollte, sie durfte dem Fremden nicht sagen, wer sie war. Sie konnte und durfte nicht.
»Wer bist du?«, fragte sie ihn deshalb, um nicht auf seine Frage antworten zu müssen.
»Was willst du wissen?«, lachte er leise.
»Wie du heißt, woher du kommst, was du hier in der Gegend machst, was du vorhast … «
»Mein Name ist Ian Laverry. Ich lebe in Edinburgh und bin in die Highlands gekommen, um einem Freund einen Gefallen zu erweisen.«
»Wer ist der Freund? Und was ist das für ein Gefallen?«, fragte Zelda mit der Neugier der Einheimischen, die im Umkreis von 20 Meilen jeden Bewohner kannten.
Diesmal war es Ian, der fragte: »Ist das so wichtig?«
Zelda schüttelte den Kopf, murmelte leise vor sich hin: »Ian Laverry. Ein schöner schottischer Name, Ian.«
»Ja, ich stamme aus einer alten schottischen Familie. Genau wie du, vermute ich.«
Zelda nickte. »Ich bin in den Highlands geboren und aufgewachsen. «
Sie wies mit dem Arm einen Halbkreis und fügte hinzu: »Hier bin ich zu Hause, hier möchte ich bis an das Ende meiner Tage leben.«
Ian lachte über den Ernst, mit dem die blutjunge Zelda über das Ende ihrer Tage sprach.
»Du passt hierher. Dein Haar ist so wild und ungebändigt wie diese Landschaft. Deine Augen sind so grün wie der See, deine Haut so weiß wie die
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