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Uferwald

Titel: Uferwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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Ach so, nein«, antwortete Luzie. »Mit Matthes war ich mal verlobt, aber mit dem war trotzdem nichts, es war nämlich...« Sie drehte sich um, so dass sie Keull ins Gesicht sah. »Matthes ist – was sich dummerweise erst nach der Verlobung herausgestellt hat – von der anderen Fakultät, hast du das eigentlich nicht gemerkt?«
    »Hab ich nicht.« Keull stützte sich auf, und seine Finger begannen, tiefer zu dringen. »Aber was war mit dem anderen?«
    »Ich sagte doch – ich kannte Tilman von der Schule, eine Zeitlang dachte ich – ach, ich weiß nicht mehr, was ich dachte, wir hatten beide keine Väter...« Luzie schloss die Augen, ihre Beine waren gespreizt. »Irgendwie verband uns das. Jedenfalls habe ich mir das so eingebildet.«
    »Wieso hattet ihr keine Väter?«
    »Was weiß ich«, antwortete Luzie. »Da musst du schon die Herren selber fragen, warum sie davongelaufen sind. Oder warum sie sich nie haben blicken lassen.«
    »Und du und dieser Tilman, ihr habt euch also getröstet?«
    »Haben wir nicht. Ich hab sehr früh begriffen, dass es keinen Trost gibt. Von niemandem. Du musst schon selbst dafür sorgen. Und Tilman – hinter dem war eine andere her. Das war mir zu blöd.«
    »Und?«
    »Was und?«
    »Hat die andere ihn gekriegt?«
    »Wahrscheinlich nicht.« Ihre Hand tastete nach seinem Schwanz. »Er hat bloß dumm gelabert. Vielleicht hatte er auch keinen solchen Apparat, der immer gleich spitz ist und will... by the way – ich finde, wir sollten uns jetzt ein wenig über die 135000 unterhalten, die du vorher angedeutet hast.«
    »Übertreibst du immer so maßlos?«
    »Kannst du dich da überhaupt noch an eine Einzelne erinnern? Ich weiß, dass das fast zu viel verlangt ist.«
    Keull schob seine Hand weiter nach unten. »Wenn ich mir Mühe gebe, vielleicht.«
    »Die Erste?«, schlug Luzie vor. Plötzlich atmete sie kurz und heftig. »Du bist ein Saukerl, weißt du das?«
    »Das erste Mal? Furchtbar«, sagte Keull. »Aber an eine erinnere ich mich. Das war die, mit der ich in Paris war. Die hatte was.« Er zog seine Hand aus Luzie. »Aber nichts ist für ewig. Sie hat zu viel getrunken und ist gefallen und hat sich die hübsche Fresse aufgeschlagen, das war schade.« Er drehte Luzie auf den Bauch, schob ihre Beine auseinander und kniete sich hinter sie. »Aber weil sie nicht ganz bei Trost war, hat sie gesagt, ich sei’s gewesen, und hat mir die Flics auf den Hals gehetzt, fast wäre ich in den Knast gekommen, aber ich schwör dir’s, nie wieder geh ich in einen Knast, in einen französischen schon gar nicht...«
    Dann sagte er nichts mehr, Luzie kauerte auf dem Bett, die Hände an der Bettkante aufgestützt, den Kopf auf dem Kissen, und so nahm das Gespräch eine andere Wendung.
     
    D ie Frau, die auf der Bank vor der Tür zu Tamars Büro gewartet hatte, war mittelgroß, nicht zu dick und nicht zu dünn, sie war auch nicht bebrillt, sondern trug vermutlich Kontaktlinsen, und soweit es Tamar in der trostlosen Flurbeleuchtung sehen konnte, waren ihre Haare weder braun noch rot, sondern wie die ganze Frau: irgendwie gar nicht. Vor allem aber war sie blass, fast kalkig weiß im Gesicht.
    »Ich glaube, wir kennen uns«, sagte sie. »Dorothea Dannecker, ich bin...«
    »Ich weiß«, sagte Tamar und bat die Besucherin in ihr Büro. Die Polizei ermittelt ohne Ansehen der Person, dachte sie. Vor dem Gesetz sind... Schon gut. Vorsicht ist immer geboten. Aber manchmal ist es das ganz besonders. Zum Beispiel bei Angehörigen der Justiz. Tamar schaltete die Schreibtischlampe ein und löschte die Deckenlampe. Dem Gesicht der Richterin Dannecker konnte sie auch so ansehen, wie mühsam es für sie war, die Fassung zu bewahren.
    »Ich hatte noch keine Gelegenheit, meinen Mann zu sehen«, begann die Besucherin. »Er hat noch mit Ihrem Kollegen Armbruster zu sprechen...«
    Dannecker wird verhört, dachte Tamar. Das ist das richtige Wort. Aber das brachte seine Frau, die Richterin, nicht über die Lippen.
    »Ich bin im Groben über die Vorwürfe unterrichtet«, fuhr die Besucherin fort. »Ich bin sicher, vieles davon wird in sich zusammenfallen. Und wenn es dann noch den oder jenen strittigen Punkt geben sollte, werden wir auch dafür eine Lösung finden.«
    Freilich, dachte Tamar. Ein Richter, der sich nicht für befangen erklärt, wird die Lösung finden. Wahrscheinlich kommt der Fall sowieso vors Landgericht. Drei Jahre richtigen Knast, so wird die Lösung heißen, und fünf Jahre Berufsverbot.
    Wenn

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