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Uferwald

Titel: Uferwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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»Wer hat ihm das gegeben?«, fuhr sie Kuttler an. »Das muss doch jeder wissen, dass der keinen Alkohol bekommen darf, nicht einen Tropfen.«
    Kuttler, der das Kopfende seines Bettes hochgestellt hatte, um besser schreiben zu können, schüttelte nur den Kopf. Er hatte keine Lust, sich in diesem Ton befragen zu lassen. Außerdem ging es ihn nichts an, was Hattakuk mitgebracht bekam. Der Dunst freilich war wirklich schlimm, aber das Zimmer war klimatisiert, so dass man das Fenster vermutlich gar nicht aufmachen konnte.
    Die Krankenschwester machte sich daran, den Nachttisch Hattakuks zu durchsuchen, und zog fast triumphierend eine Flasche französischen Cognac heraus. Sie war nur noch zu knapp zwei Dritteln voll.
    »Seit wann hat er das getrunken?«
    Kuttler zuckte mit den Achseln. Berücksichtigt man, dachte er, dass Hattakuk in den letzten Wochen ziemlich auf dem Trockenen gelegen hatte, musste das gute Drittel für einen ordentlichen Rausch reichen.
    Von der Tür her war ein Klopfen zu hören, eine Frau schaute vorsichtig herein, zögerte und trat ins Zimmer.
    »Ich glaube, ich komme ungelegen«, sagte sie. Es war Isolde Treutlein.
    »Eigentlich schon«, sagte die Krankenschwester.
    Vorsichtig schwang Kuttler die Füße aus dem Bett, setzte sich auf, wartete einen Augenblick und stand auf. »Falls Sie zu mir wollten, können Sie mich ein paar Schritte begleiten.«
    »Sie sollen nicht so viel aufstehen«, widersprach die Krankenschwester.
    »Vor allem soll ich nicht diesen Dunst einatmen«, antwortete Kuttler, schlüpfte in seine Pantoffeln und verließ das Zimmer. Isolde Treutlein war draußen stehen geblieben und wartete auf ihn.
    »Vermutlich sollte ich mich bei Ihnen bedanken«, sagte sie. »Ich will das gerne tun, auch wenn ich nicht genau weiß, was Sie warum gemacht haben.«
    »Lassen Sie’s«, antwortete Kuttler. »Besuche, mit denen man sich bedanken will, gehen schief. Immer. Da vorne ist eine Sitzecke für Besucher, und meistens ist sie leer.« Während des Gehens merkte er, dass sein Kopf allmählich wieder klarer wurde. »Ich weiß nicht, was Sie von uns denken müssen«, sagte er. »Hat diese Schnapsbrennerfahne Sie nicht umgehauen?«
    »Nun ja...«
    »Der Bilch ist schuld«, erklärte er. »Er wollte mir einen Cognac mitbringen, und als ich ablehnte, hat ihn sich Hattakuk gekrallt.« Wieso nannte er Czybilla den Bilch?
    »Sie sind schon sehr vertraut mit unserer Clique.«
    Eine Spur zu spöttisch, dachte Kuttler. »Entschuldigung. Ihre Clique gibt es ja nicht mehr.«
    »Eben.«
    Sie hatten die Sitzgruppe erreicht – drei Stahlrohrsesselchen mit fleckigen Plastiksitzflächen – und nahmen einander gegenüber Platz.
    »Warum sind Sie also wirklich gekommen?«
    Isolde betrachtete ihn. Dann zeichnete sie mit dem Finger den Umriss des Turbans nach. »Man hat Ihnen ziemlich übel mitgespielt, nicht wahr?«
    »Es geht. Warum?«
    »Warum fragen Sie mich und warum fragen Sie Czybilla nach Dingen, von denen Sie gar nichts wissen können?«
    Kuttler versuchte ein Lächeln. Mit dem Turban um den Kopf war das gar nicht so einfach. »Warum soll ich nur nach Sachen fragen, von denen ich wissen darf? Es gibt genug, die ich wirklich nicht weiß.«
    Isolde schüttelte den Kopf. »Sie wollen meine Frage nicht beantworten. Finden Sie nicht, dass das eine ziemlich alberne Geheimnistuerei ist? Von dieser Sache im Lautertal habe ich niemandem erzählt, und der Bilch vermutlich auch nicht. Til isttot. Von wem also haben Sie es? Es gibt nur eine Erklärung. Til hat es aufgeschrieben, und Sie haben seine Notizen gefunden.«
    »Sie werfen mir Geheimniskrämerei vor«, antwortete Kuttler bedächtig. »Aber wie nennen Sie es denn, dass mir niemand erzählen will, wie diese Abstimmung verlief, und warum die Clique danach auseinander gelaufen ist und Tilman sein Fahrrad genommen hat?«
    »Und wenn Sie es wüssten – wozu wäre es gut? Ich meine, was könnten Sie damit beweisen oder erklären?«
    »Das habe ich Ihnen doch das letzte Mal schon gesagt«, antwortete Kuttler. »Vielleicht wüssten wir dann, wer zuletzt mit ihm gesprochen hat. Ob er einen Anruf bekommen oder sich noch mit jemand gestritten hat. Ob ihm jemand gefolgt ist. Oder nachgefahren. Es würde uns schon genügen, wenn wir herausfinden, wer das wissen könnte oder wissen müsste.«
    Isolde Treutlein nickte. »Ich glaube, ich verstehe allmählich. Sie stochern im Nebel herum, auf Verdacht. Ich wusste gar nicht, dass die Polizei so etwas tun darf – einfach so

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