Uferwald
herumfragen.«
»Sie können sich ja beschweren«, sagte Kuttler. »Es kommt vermutlich nicht mehr darauf an. Aber sagen Sie mir doch wenigstens eines...« Er sah sie an. Ihr Gesicht war aufmerksam, fast angespannt, und sie erwiderte seinen Blick direkt und entschlossen. »Wann genau haben Sie zuletzt miteinander gesprochen? Was haben Sie zu ihm gesagt und was er zu Ihnen?«
Sie antwortete nicht. Ihre Augen blieben unbewegt. Kuttler wartete.
»Das weiß ich nicht mehr«, sagte sie schließlich.
Kuttler hob seine Hände und ließ sie wieder fallen. Dann eben nicht, sollte das heißen. Er stand auf, vielleicht etwas zu hastig, und musste sich an der Lehne des Stahlrohrsessels festhalten.
Auch Isolde Treutlein war aufgestanden. Sie kam auf ihn zu und griff nach seinem Arm. Kuttler schüttelte unwillig den Kopf, und für einen kurzen Augenblick sahen sie sich an, fragend, abweisend.
S ascha hatte ein neues Scheit Buchenholz aufgelegt, das Feuer knisterte, und durch die nicht ganz geschlossene Ofentür drang heller rötlicher Lichtschein und warf ein rechteckiges Muster auf den Holzboden. Luzie lag auf der Seite, die Knie angezogen, die eine Hand zwischen die Beine geklemmt. Sie betrachtete Sascha, der ruhig atmete und dessen kräftiger behaarter Brustkasten sich hob und senkte. Sein Glied war noch immer halb aufgerichtet.
»Hol uns ein Bier«, sagte Sascha.
»Hol du es.«
»Du hast den kürzeren Weg.«
»Fauler Sack.« Luzie warf ihre Beine herum und setzte sich auf. Als sie sich hochstemmte, zitterten ihr noch immer die Knie. Im Zimmer war es fast zu warm, aber draußen im Flur und in der Küche würde es kalt sein, und so zog sie Saschas kratzigen Wollpullover über, der ihr freilich nur knapp bis zum Hintern reichte.
Er sah ihr zu. »Nicht schlecht«, sagte er. »Ich werd dich so zeichnen. Die Bierholerin, nein, kein guter Titel, vielleicht so: Luzie, 1 Flasche Bier holend...«
»Fuck yourself«, sagte sie und zeigte ihm den Mittelfinger. Im Flur war es nicht nur kalt, es zog auch noch, und sie beeilte sich, in dem Kasten, den sie gestern Abend in der Wirtschaft geholt hatten, noch eine volle Flasche zu finden.
»Du hast ein hübsches Dreieck, weißt du das?«, fragte er, als sie zurückkam und die Flasche aufmachte.
»Das wird bei anderen auch nicht groß anders sein«, sagte sie und hielt ihm die Flasche hin. »Es sei denn, sie rasieren es.«
»Eben«, antwortete er und nahm einen kräftigen Schluck. Dann stellte er die Flasche wieder auf die Holzkiste, die ihm als Nachttisch diente. »Komm wieder zu mir.«
Luzie stieg ins Bett und legte sich neben ihn, aber so, dass sie ihm den Rücken zukehrte. »Was sind denn die neuesten Trends?«
»Trends wobei?«
»Bei der Rasur von Dreiecken.«
»So auf dem Laufenden bin ich da auch wieder nicht«, meinte Sascha.
»Nein?«, fragte Luzie skeptisch und drehte sich auf den Rücken. »Wie viele hast du eigentlich schon – wie soll ich sagen – in Augenschein genommen, nein, nicht bloß angeguckt, sondern gebumst?«
»Nicht viele.« Sascha überlegte. Dann hob er die eine Hand hoch und zeigte alle fünf Finger, schloss sie wieder, machte sie wieder auf und wiederholte das ein paar Mal. »Wirklich nicht viele. Und du?«
»Ich hab’s noch nie mit einer Frau...«
»Du weißt genau, was ich meine.«
Statt einer Antwort drehte sich Luzie wieder zur Seite. Dann hielt sie die Hand mit den fünf ausgestreckten Fingern hoch und ließ sie wieder sinken.
»Glaub ich nicht«, sagte Sascha.
Luzie hob noch einmal die Hand, dann ein drittes Mal, aber da nur noch mit drei Fingern.
»Da bist du aber nicht groß außer Atem gekommen dabei.« Keulls Hand schob sich auf ihre Hüfte. »Sag mal – was will dieser Polizist eigentlich von dir?«
»Welcher Polizist?«
»Diese halbe Portion, die bei der Vernissage dumm gefragt hat.« Die Hand glitt langsam über ihren Oberschenkel, dann wieder, ein wenig mehr auf der Innenseite, nach oben.
»Der Polizist hat nach Tilman gefragt«, antwortete Luzie, »das ist – das war einer von denen, die ich von der Schule kannte, wir haben uns danach noch eine Weile getroffen...« Keulls Finger spielten mit einer Locke widerspenstigen rötlichen Haares. »Im GlucksKasten war das, das ist jetzt das Eastside, und irgendwann war Schluss, lass das! Und wir sind auseinander gelaufen, einfach auseinander gelaufen.«
»War Tilman einer von den Dreizehn? Oder dieser andere, dieser Anzugträger aus dem Rathaus?«
»Von welchen Dreizehn?
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