Uferwechsel
du das?«
Das hingegen kam mir bekannt vor – wie den restlichen sieben Milliarden Menschen auf dieser Welt wahrscheinlich auch.
»Er war die Liebe meines Lebens«, erklärte Beat leise.
»Wo hast du ihn überhaupt kennengelernt? Im Internet?«
Beat stieß verächtlich die Luft aus. »Viel schlimmer: Er hat an einem Programm von Sanduhr teilgenommen!«
Mit einem Mal zeichnete sich das Drama deutlich ab, das sich abgespielt haben musste: Wie er mir am Telefon selbst berichtet hatte, hatte sich Beat in diesen Kerl verliebt und wurde seinetwegen aus der Organisation geschmissen, die sein Leben war, für die er sich jahrelang aufgeopfert hatte. Nach seinem unfreiwilligen Austritt hatte er wohl gehofft, eine ernsthafte Beziehung zu dem Mann aufbauen zu können, doch das war für den anderen nie ein Thema gewesen. Denn der ließ sich bei Sanduhr behandeln, gerade weil er beabsichtigte, ein heterosexuelles Leben zu führen. Zumindest öffentlich.
Und Beat stand plötzlich allein da, verstoßen von seinen gleichgesinnten Kollegen, mit denen er auf eine sektenähnliche Art verbunden gewesen war, ohne Partner, ohne Job, ohne Halt und eigenständiges Leben. Er musste alle Hoffnungen auf diese eine Person gesetzt haben – und war bitter enttäuscht worden.
»Weshalb hast du die jungen Männer umgebracht?«
»Sie waren seiner unwürdig«, erwiderte Beat kurz angebunden. »Er war für mich bestimmt! Als er mir zu verstehen gab, dass er nichts mehr mit mir zu tun haben wollte, war ich am Boden zerstört. Doch ich habe zu Gott gebetet, dass er mir die Kraft gibt, wieder aufzustehen. Und Gott hat mich erhört, wie er alle erhört, die ihn in tiefster Not anflehen. Schnell hatte ich den Job bei Bastiani gefunden, der mir mein Überleben sicherte, und war mit einem Mal wieder voller Hoffnung. Ich musste nur meinen Mann davon überzeugen, dass Gott uns füreinander geschaffen hat. Dafür war ich bereit, jedes Hindernis zu beseitigen, das uns im Weg stand.«
»Drei junge Männer.«
»Er litt unter regelmäßigen Rückfällen, ich wusste das aus unseren Therapiesitzungen. Doch nie hat er sich spontan zu solchen Entgleisungen hinreißen lassen, kein Park, keine Sauna, keine öffentlichen Toiletten. Dazu war und ist er viel zu beherrscht. Wenn der Drang stärker wurde, hat er alles akribisch geplant und sich im Voraus im Internet verabredet.«
»Du hast sein Passwort geknackt?«
»Es war nicht so schwierig. Zu Beginn haben wir uns ja einige Male getroffen, bei mir oder im Hotel. Doch er fühlte sich rasch eingeengt. Er wollte keine Beziehung, hat er mir erklärt. Schließlich habe er Familie. Nur hin und wieder ein unverbindliches Treffen, anonym und auf die Schnelle. Kein großes Gelaber, keine Emotionen, kein Drama sagte er. Für mich stürzte der Himmel ein. Bei unserem letzten Treffen in einer heruntergekommenen Absteige habe ich sein Laptop durchforstet, als er unter der Dusche stand. Diese Datingseite war mir von den Berichten unserer Klienten her bekannt, obwohl ich selbst so was nicht benutzte. Die Zugangsdaten rauszufinden, war dann ein Kinderspiel.«
»Deswegen hast du immer genau gewusst, wann er sich mit jemandem verabredet hat!«
»Ich brauchte ja nur hin und wieder die Nachrichten zu überprüfen und wusste so genaustens über seine Treffen Bescheid. Meist lockte er die Jungs erst einmal an einen verschwiegenen Ort in der Nähe, und wenn sie ihm gefielen und ihr Aussehen mit den Fotos im Internet übereinstimmte, nahm er sie mit in eines der Stundenhotels an der Langstrasse.«
»Und du hast seinen Verabredungen im Anschluss aufgelauert.«
Beat hatte sich während unseres Gesprächs etwas beruhigt, doch jetzt verschleierte sich sein Blick und sein Kehlkopf zuckte unruhig auf und ab. »Ich lag nächtelang wach und irgendwann ertrug ich den Gedanken nicht mehr, dass er mit anderen herummachte. Sie hatten ihn nicht verdient!«, stieß er hervor und starrte mich finster an.
»Gab es noch andere?«, bohrte ich vorsichtig nach. »Außer Said, Nils und Marislav?«
»Keine Ahnung, wie die hießen. Sie waren alle jung, so mochte er sie. Da waren nur der Blonde, dieser Tennisspieler und der schlanke Araber. Niemand sonst.«
Ich glaubte ihm. Kevin hatte demnach tatsächlich Selbstmord begangen.
»Außer seiner Frau natürlich«, bemerkte Beat nach einer Pause.
»Was ist mit seiner Frau?« Mir blieb die Luft weg. Daran hatte ich überhaupt nicht gedacht.
»Er hat sie in Sicherheit gebracht. Keine Ahnung,
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