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Uferwechsel

Uferwechsel

Titel: Uferwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Mann
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dass ich schon befürchtete, er würde mich nicht erkennen. Doch dann glomm etwas in seinen Augen auf und er klopfte schwach mit der Hand auf die Matratze.
    »Pa, was ist los?«, fragte ich, während ich mich neben ihn hinsetzte.
    »Es ist nichts«, erklärte er gereizt. »Ein bisschen Magenschmerzen, das ist alles.«
    »Du bist fünf Tage nicht aufgestanden.«
    Er sah mich verwirrt an, als würde ihm das erst jetzt bewusst.
    »Was ist los?«, wiederholte ich meine Frage. »Sag’s mir.«
    Er atmete schwer. Dann begann er zu sprechen, in Hindi, mit leiser, brüchiger Stimme: » Betaji , mein Sohn. Mir geht’s nicht gut, ich bin alt und schwach, ich weiß nicht, wie lange ich noch zu leben habe.«
    »Was hat der Arzt gesagt?«, fragte ich beunruhigt, obwohl ich natürlich wusste, dass indische Eltern einen Hang zu dramatischen Eröffnungen hatten und dabei gern übertrieben.
    Mein Vater machte eine wegwerfende Handbewegung, und ich entspannte mich etwas.
    »Ich wollte immer, dass es dir und deiner Mutter gut geht in diesem Land. Ich wollte euch ein anständiges Leben bieten, wollte, dass ihr glücklich seid, und dafür habe ich Tag und Nacht geschuftet …« Er hielt inne und sah mich unglücklich an. »Aber ich habe versagt, Beta . Ich bin ein alter Mann, mir fehlt die Kraft von früher, niemand weiß, wie lange ich noch leben …«
    »Unsinn!«, unterbrach ich ihn. Die Leier von seinem angeblich bevorstehenden Tod hatte ich bereits gehört. »Sieh uns doch an! Wir haben ein gutes Leben. Mutter geht in ihrem Geschäft auf und ich bin selbstständig und beinahe erfolgreich. Uns fehlt es an nichts und hin und wieder sind wir sogar glücklich. Das haben wir nicht zuletzt dir zu verdanken.«
    Störrisch schüttelte mein Vater den Kopf. » Beta , schau mich an.«
    Ich tat, was er von mir verlangte.
    »Was siehst du?«
    Ich stand am Rand eines Minenfelds und spürte, dass ich vorsichtig sein musste mit meiner Antwort. »Meinen Vater?«
    Das schien ihn nicht zufriedenzustellen, seine Finger wanderten unruhig über die Decke und zupften Fusseln ab. »Deinen Vater, ja. Du vielleicht. Wenn aber ich in den Spiegel sehe, dann blickt mir ein alter Mann entgegen, der es in diesem Land nicht geschafft hat. Der immer zu den ›anderen‹ gehört hat und immer gehören wird.«
    »Welche ›anderen‹?«
    »Zu den Ausländern, denen der soziale Aufstieg versagt geblieben ist, die gerade gut genug sind, um in der Küche die Pfannen zu schrubben, die ewig gleichen Currys zu kochen …«
    »Pa, der soziale Aufstieg war mir nie wichtig …«
    »Dir vielleicht nicht, aber mir!«, fuhr er mich überraschend heftig an. »Du verstehst das nicht, du gehörst zu der zweiten, der privilegierten Generation, die entspannt genug ist, um sich nicht für eine steile Karriere aufzuopfern. Ihr müsst niemandem etwas beweisen, wenn ihr nicht wollt. Aber als ich hierherkam, habe ich alles daran gesetzt, eine gute Ausbildung zu bekommen, einen Job, der mich weiterbringen würde, wie ich hoffte. Schließlich wartete in Indien eine ganze Sippe darauf zu erfahren, wie es mir in der Fremde erging.«
    »Die waren bloß scharf auf dein Geld!«
    Mein Vater runzelte unwillig die Stirn. »Lass deinen Vater ausreden, Beta! « Er strich sich über die Augen, als sei er unendlich müde, bevor er fortfuhr: »Ein Scheitern kam einfach nicht infrage. Sie erwarteten so viel von mir. Und ich? Was habe ich geschafft? Einen kleinen Laden aufgemacht, das habe ich. Nichts von einer strahlenden Karriere in einem Hotel, einem eigenen Restaurant vielleicht …«
    »Mutter macht das doch jetzt ganz großartig. Und du hast der Familie immer Geld geschickt, über all die Jahre hinweg. Du kannst stolz auf dich sein.«
    »Stolz!« Er spuckte das Wort förmlich aus. »Ich komme mir nutzlos vor, ein alter Sack, den niemand mehr braucht, dessen Frau arbeiten muss, damit wir zu essen haben, und der eine Flasche Whisky seinen besten Freund nennt. Ich beherrsche ja nicht einmal die Sprache dieses Landes richtig. Mir fehlt die Kraft und der Wille morgens aufzustehen, außer der Times of India interessiert mich kaum noch was, ich kann mich für nichts mehr begeistern. Ich bin leer und verbraucht, Beta , ich komme mir vor wie ein Geist. Könnte ich noch weinen, ich würde es unablässig tun.«
    Betroffen senkte ich den Blick. Ich wusste, dass mein Vater maßlos übertrieb, das gehörte nun mal zur indischen Kultur, doch der Schmerz und das Leid dahinter waren echt.
    »War ich dir ein guter

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