Uhrwerk Venedig (German Edition)
Lichtschein reflektierte sich an den überall in der Werkstatt angebrachten Metallspiegeln. Und dann schrie auch Gustav, denn auf seiner Klinge zappelte ein Wesen, das er auf all seinen Reisen und in all seinen Abenteuern noch nie gesehen hatte.
Ein länglicher Kopf, nur aus Ober- und Unterkiefer bestehend, bewaffnet mit zwei Reihen spitzer Zähne, die wie Dolche glänzten. Augen wie Edelsteine, mit unzähligen Facetten und vier Tentakel, die hilflos durch die Luft schlugen und in den Klauen einer riesigen Gottesanbeterin endeten. Die Haut des Ungetüms war braunschwarz und glänzte feucht. Das Wesen zappelte hilflos hin und her, aber Gustavs Klinge hatte es durch eine gnädige Fügung Gottes offenbar schwer verwundet. Erschrocken sprang Gustav einen Schritt zurück, zog seine Klinge dabei aus dem Leib des Ungetüms, woraufhin es mit einem leisen Seufzen in sich zusammenfiel. Kaum hatte es den Boden berührt, zerfiel es zu einem Schatten, der von einem nicht spürbaren Sog zu dem Pergament gezogen wurde. Einzig eine Lache seines grünen Blutes zeugte davon, dass es kein Traum gewesen war. Die Machina wurde langsamer, ein letzter Schwall Schatten schoss aus dem Pergament in die Höhe, dann war der Spuk vorbei.
Giacomo sah den verdrehten Körper Enzos am Boden liegen. Sein Kopf lag quer über der verwachsenen Schulter, seine toten Augen für alle Zeiten auf das Entsetzen starrend, das sich ihm im Moment seines Todes von hinten genähert hatte. Gustav drehte sich langsam zu Giacomo um, der erschrocken ein paar Schritte von seinem Freund wegkroch. Gustavs einst tiefschwarzes Haar hatte alle Farbe verloren. Schlohweiß umrahmte es das faltige Gesicht eines Greises.
»Bei Gott, ich habe in die Augen des Satans geblickt und überlebt«, hauchte Gustav noch, dann brach er zusammen.
Venedig, Anno Domini 1507, »Die Jäger der Schatten«
1
Drei dunkle Gestalten eilten die Calle Centani entlang. Es war Nacht, und wie schon seit einigen Monaten, lag um diese Zeit ein bedrücktes Schweigen über der Stadt. Ein Zeichen der Angst, die Venedig in ihren kalten Krallen hielt. Keine Lichter, keine Feste … Venedig kauerte schweigend im Dunkel. Einem Dunkel, in dem unheimliche Schatten umhergingen und unvorsichtige Seelen in die Tiefen der Höllen rissen, und nur verdrehte Körper in den Gassen und Kanälen hinterließen. Tote, deren Augen im Augenblick des Todes Fürchterliches erblickt haben mussten. Die drei Vermummten kamen an eine Kreuzung und bogen in einen Sotoportego, einen der zahlreichen Fußwege, die unter einem Haus hindurchführten. Nach wenigen Schritten waren sie hindurch und verließen die Calle dei Saoneri, unter der ein Kanal verlief. Einer der Vermummten hob den Blick und suchte den Nachthimmel ab.
»Ich hoffe inbrünstig, dass dieses Fluggerät auch wirklich etwas taugt, und Salvatore nicht wie ein Stein zu Boden fällt.« Der Mann und schlug seine Kapuze zurück. Schlohweißes Haar glänzte im schwachen Schimmer der Sterne auf.
»Gustav, du solltest mehr Vertrauen in deinen Freund und seine Erfindungen haben.«
Gustav wandte sich um und sah den Sprecher mit einem stechenden Blick an.
»Vertrauen hatte ich einmal in ihn.« Er deutete an sich herunter. »Und wo ist es geendet? Sieh mich an, Roberto. Ich bin ein Greis, obwohl ich noch keine dreißig Sommer erlebt habe. Und ohne ihn und seine Erfindungen wären wir jetzt auch nicht hier.«
Bevor Roberto etwas erwidern konnte, erklang ein leises Ticken und Summen. Eine Gondel kam mit großer Geschwindigkeit den Kanal entlang zu der Stelle, wo die drei standen. Der Gondoliere lenkte sein Gefährt vorsichtig an die Mauer und stoppte es. Die Geräusche verstummten.
»Salvatore ist auf Position«, sagte der Gondolieri. »Er ist sehr geschickt mit der Flugmaschine.«
»Ja, ja.« Gustav stieg in die Gondel. »Und wenn ein Frosch Flügel hätte, würde er nach dem Sprung nicht auf seinem Arsch landen. Der Mensch ist nicht dazu geschaffen, wie ein Vogel durch die Lüfte zu gleiten. Das wird kein gutes Ende nehmen, mit Salvatore. Glaubt mir.«
Roberto und der dritte Vermummte folgten ihm. Gustav setzte sich, während Roberto die beiden Motoren der Gondel zusammen mit dem Gondoliere aufzog. Der dritte Vermummte setzte sich neben Gustav.
»Wenn wir alle gefunden und vernichtet haben, werde ich ins Kloster gehen«, sagte er unter seiner Kapuze. »Ich werde Buße tun und Gottes Wort lernen.«
Gustav schnaufte freudlos auf, während die Gondel
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