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Uhrwerk Venedig (German Edition)

Uhrwerk Venedig (German Edition)

Titel: Uhrwerk Venedig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucas Edel , Emilia Dux , Susanne Wilhelm , Tom Wilhelm , Dirk Ganser , T. S. Orgel
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die Jäger sich an das Aussehen der Schatten gewöhnt, trotzdem durchfuhr Gustav ein Schaudern. Keiner der Schatten glich dem anderen. Dieser hier sah aus wie eine Kreuzung aus Mensch, Fisch und Vogel. Eine Perversion der Schöpfung Gottes, die jedem gesunden Menschenverstand widersprach.
    Die Gondel holte allmählich auf. Gustav steckte die Bomba weg. Sie waren zu nah an den Häusern der Stadt, als dass er sie einsetzen wollte. Er griff an seinen Gürtel und legte seine Armbrust an. Der Bolzen fand sein Ziel, und mit einem grausigen Aufschrei flog der Schatten in die Höhe. Gustav drückte den Knopf, der die Mechanik betätigte, und kurz darauf folgte ein zweiter Bolzen. Der Schatten schrie erneut auf und schwarzes Blut floss aus den Wunden, die die Bolzen geschlagen hatten.
    »Hinterher!« Gustav zielte erneut mit der Handarmbrust auf das gotteslästerliche Wesen. »Ich habe ihn getroffen.«
    »Wo will er hin?«, rief Roberto. Normalerweise stellten sich die Schatten sich zum Kampf, wenn sie in die Enge gedrängt oder verwundet waren. Erneut stieß das Wesen einen klagenden Schrei aus. Gustav stutzte.
    Mama?
    Rief das Wesen etwa nach einer Mutter? Gustav ließ die Waffe sinken. Roberto kam nach vorne und legte Gustav eine Hand auf die Schulter.
    »Was hast du vor?«
    »Ich habe eine Ahnung, Roberto.«
    »Eine Ahnung?«
    »Ja. Das Tor war viel zu kurz offen, um so vielen Schatten, wie wir sie bisher vernichtet haben, den Eintritt in unsere Welt zu ermöglichen.«
    »Willst du damit etwa sagen, dass …«
    Gustav drehte sich um und sah Roberto mit grimmiger Miene ins Gesicht. Er sah im Sternenlicht, wie Roberto erblasste.
    »Halte beide Motoren auf Spannung. Wir müssen schnell sein.«
    Roberto wankte unsicher ans Heck der Gondel und zog beide Motoren erneut auf. Adriano versuchte seine Aufmerksamkeit sowohl auf den Schatten als auch auf den Weg vor ihnen zu richten. Roberto warf beide Motoren an und die Gondel gewann mit einem Satz erneut an Fahrt.
    »Du bist verrückt, Gustav«, rief Roberto.
    »Warum?«
    »Wenn es wirklich eine Art Mutterschatten oder ein Nest gibt, so sind wir überhaupt nicht ausreichend bewaffnet, um dagegen zu kämpfen.«
    Gustav wandte sich um.
    »Die stärkste Waffe, mein Freund, ist das Herz eines zu allem entschlossenen Mann.« Er lächelte grimmig. »Wenn du allerdi-«
    Er hielt inne, als Roberto sich langsam aufrichtete. Roberto und Adriano starrten ihn an.
    Ihn?
    Gustav kam ein schrecklicher Verdacht. Langsam wandte er sich wieder nach vorne. Etwa vierhundert Schritte vor der dahinrasenden Gondel erhob sich mitten auf dem Canale Grande ein Schatten. Er war so groß, dass er das Licht der Sterne verschluckte. Seine Umrisse zeigten vage das Aussehen, das Gustav schon von den unzähligen Schatten kannte, die er bereits vernichtet hatte. Diese Mischung aus Mensch und Tier, die jeden Menschen mit schwachen Nerven um den Verstand bringen konnte. Der Unterleib des Wesens war nach vorne gewölbt. Es sah aus als wäre dieses Unding schwanger mit einer weiteren Welle des Übels, die Giacomos Machina auf die Erde geholt hatte.
    »Du«, hauchte er. »Du bist es also. Ich hatte also recht und es gibt dich doch. Eine Mutter, eine Brutstätte all diesen Übels.«
    Wie in Trance griff er in seine Taschen und holte die Bombas hervor.
    »Springt ab«, rief er über die Schulter. »Bringt euch in Sicherheit.«
    »Aber Gustav!«, rief Lucio.
    Gustav sah zur Seite. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Roberto und Adriano seinem Rat umgehend folgten, und die dahinrasende Gondel mit einem Sprung ins Wasser verließen.
    »Lucio«, flüsterte Gustav. »Geh.«
    Lucio öffnete den Mund, schwieg dann aber doch. Gustav versuchte, passende Worte für seine Gefühle zu finden. Aber wie sollte er seinem Freund erklären, dass sein Herz wie ein Pfeil war, den er am liebsten mit der Kraft seines Hasses diesem Ungeheuer entgegenwerfen würde, um all die schrecklichen Bilder in seinem Kopf zu verbannen? Die Gondel schlingerte und ehe Lucio sich versah, verlor er das Gleichgewicht.
    »Lebewohl«, flüsterte Gustav heiser, bevor er nacheinander alle Uhrwerke der Bombas in Gang setzte. Dann blickte er wieder nach vorne, wo die Mutter aller Schatten seelenruhig auf ihn wartete. In der Dunkelheit ihres Körpers, etwa dort, wo Gustav das Gesicht dieses Monsters vermutete, tanzte etwas.
    Freude? Hass? Er hätte es nicht mit Bestimmtheit zu sagen vermocht. Dann tauchte die Gondel auch schon in den Schatten ein, in Fleisch, das keines

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