Uhrwerk Venedig (German Edition)
mit der man durch die Zeit reisen kann?«
Leonardo schaute ihn erschreckt an. Woher konnte dieser hässliche Zwerg das wissen? Ein persönlicher Auftrag des Papstes, der sonst niemandem bekannt war.
»Nein, nein, da täuscht Ihr Euch. So etwas gibt es nicht.«
Petrucci zuckte nur mit den Schultern. »Oh, Ihr werdet mir schon noch vertrauen. Aber nun, hier mein chirurgisches Theater, in dem ich die mechanischen Organe einsetze.«
Er öffnete eine schwere, dunkle Holztür. Ein Raum mit gewölbter Decke wurde sichtbar. Durch sinnreich angebrachte Spiegel konnte auch hier das Licht der Sonne oder der Leonardo unbekannten,einer künstlichen Lichtquelle im großen Saal hintransportiert werden. In der Mitte direkt unter dem Spiegel war eine Liege, umgeben von verschiedensten Automaten. Leonardo sah metallene Arme mit den unterschiedlichsten Instrumenten: Sägen, Zangen, kleine und große Messer, Spatel, Brechwerkzeuge, Halter. Auch hier verlief der surrende Transmissionsriemen, um alles mit Energie zu versorgen.
In der rechten Wand war eine Tür, hinter der man Stöhnen hörte. Petrucci entschuldigte sich mit einem kurzen Wort und ging hindurch. Leonardo schaute sich neugierig und beeindruckt um. Ein Teufelskerl, dieser Petrucci. Offensichtlich hatte er es geschafft, Mechanik und menschliches Fleisch so innig zu verbinden, wie noch niemand zuvor.
Leonardo schüttelte den Kopf ... Was für eine Verschwendung. Warum sollte man Maschinen durch die Verbindung mit gewachsenem Gewebe schwächen? War es nicht viel sinnvoller, weiterzugehen und Maschinen zu bauen, die sich nicht nur bewegen, arbeiten und kämpfen konnten, sondern dies auch planvoll machten, mit Hilfe eines mechanischen Gehirns?
Bevor er seinen Gedanken weiter nachhängen konnte, hörte er eine laute Stimme durch die Türe dringen, hinter der Petrucci verschwunden war.
»Ihr habt es mir versprochen.« Anschließend nur noch Zischen und Gemurmel.
Petrucci trat mit hochrotem Kopf aus dem Nebenraum hervor.
»Bitte entschuldigt, Scanzo müsste jetzt wieder erwacht sein. Bitte verlasst meine Werkstatt. Ich habe dringendes zu erledigen.«
Mit eiligen Schritten leitete er Leonardo hinaus. Und beförderte ihn und den noch etwas schwankenden, aber sonst sehr munter wirkenden Scanzo vor das Tor der Werkstatt. Seine letzten Worte waren: »Bitte besucht mich bald wieder. Wir haben noch soviel zu besprechen.«
Leonardo verabschiedete sich flüchtig, packte Scanzo am Arm und zerrte ihn zurück zu dem Boot an der Anlegestelle.
Inzwischen war sein Begleiter wieder völlig wach. Leonardo beobachtete genau, wie er das mechanische Boot bediente.
Scanzo war völlig aufgekratzt. »Ein komischer Kerl, aber unglaublich fähig. Meint Ihr nicht auch, dass sich eine Zusammenarbeit lohnen würde?«
Leonardo murmelte Unverbindliches. Keiner der beiden kam mehr auf den ursprünglichen Zweck ihres Besuches zu sprechen.
Wieder auf der Hauptinsel angekommen, verabschiedete sich Leonardo eilig und ging mit wehendem Umhang durch eine der engen Gassen davon.
Es war inzwischen dunkel geworden. Auf den Wegen befanden sich nur wenige Fußgänger, viele davon Wachleute. Zur Zeit war man ungern draußen; es war zu kalt. Nur die Gaststätten und Kneipen waren gut besucht. Auch in diesen kriegerischen Jahren machten sie ihr Geschäft.
Einige mit Fackeln beleuchtete Gondeln glitten durch die Kanäle. Gesichter konnte man unter den Umhängen und Kapuzen nicht erkennen.
Nach wenigen Abbiegungen hielt Leonardo an und versicherte sich, dass er nicht verfolgt wurde. Scanzo, das hatte er aus den Augenwinkeln gesehen, war noch einigem Zögern am Kai entlang weggegangen.
Er musste sobald wie möglich zurück nach Murano. Natürlich hatte er die Stimme erkannt. Es war Francesca gewesen, die voller Verzweiflung den Satz ausgerufen hatte.
Die Tatsache, dass sie bei Petrucci war, ließ ihn Übles ahnen. Sie hatte kein Geld für mechanische Organe. Was hatte er ihr versprochen? Wofür?
Im Palazzo angekommen, ging er in sein Zimmer und verschloss es sorgfältig. Niemand sollte ihn bei dem überraschen können, was er jetzt tat.
Die Diener hatten sein Gepäck, zu dem auch eine große Reisetruhe gehörte, an der Wand gegenüber dem Bett abgestellt. Er ging nun zu dieser Truhe. Aber anstatt den Deckel zu öffnen, der mit einem einfachen Schloss versehen war, das jeder einfältige Dieb hätte knacken können, nahm Leonardo ein längliches Objekt aus seiner Geldbörse. Als er das Samttuch
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