Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)
nächsten Party. In dieser Szene konnte ich wieder sein, was ich eigentlich noch immer in mir sah, wenn ich in den Spiegel guckte: der Starfußballer aus der Bundesliga, der Deutsche Meister und Pokalsieger. Uliiiii, die Axt. Der Eisenfuß, der es auf dem Spielfeld und auf der Tanzfläche richtig krachen ließ. Der tolle Typ mit dem vielen Geld. Der Prominente, der Frauenschwarm. Das echte Leben ließ ich am Eingang der Clubs und Kneipen zurück. Dank Olaf lernte ich schnell die Westberliner Szene kennen. Am 1. Mai, als sich die Stadt im Ausnahmezustand befand, nahm er mich mit ins »Rockys Inn«, der Kneipe von Boxweltmeister Ralf Roccigiani. »Jetzt zeig ich dir mal den Weltmeister!« Ralf hatte ein Jahr zuvor den Titel im Cruisergewicht gewonnen. An den Tischen vor seinem Laden schien die halbe Türsteherszene von Berlin zu sitzen! Breitschultrige Typen mit schweren Goldketten und Quarzsandhandschuhen in der Gesäßtasche. Ich war nachhaltig beeindruckt. Wir setzten uns an einen der freien Tische, die Stammgäste musterten uns. Auf einmal stand Michael Pohl, Rockys Manager, vor uns: »Ich habe gerade dem Ralf gesagt: ›Das ist doch der Uli Borowka!‹ Er fragt, ob ihr nicht Lust habt, an seinen Tisch zu kommen.« Bei ein paar Gläsern Maibowle lernte ich den Champion kennen. In den kommenden Jahren würde ich viele Stunden meines Lebens in seinem Laden verbringen. Und einmal sogar kurz davor sein, von beiden Rockys einen auf die Mütze zu bekommen. An meinem 39. Geburtstag bekamen sich Ralf und sein Bruder Graciano wieder einmal in die Haare. Ich ging cool dazwischen und sagte: »Jetzt haltet doch beide einfach mal die Fresse!« Prompt blickte ich in zwei sehr schlecht gelaunte Boxergesichter, die mir dann auch mitteilten: »Was willst du denn? Willst du auf die Fresse?« Ich kam glimpflich davon.
Vorerst aber hatte ich ganz andere Sorgen: Die Aussicht auf ein sagenhaftes Gehalt verdrehte mir schnell den Kopf. Gemeinsam mit Balli suchte ich mir eine Villa in Rudow, großer Garten und Außenpool inklusive. Kostenpunkt: 2000 DM monatlich! Kein Problem für mich, schließlich sollte ich ja nun wieder wie ein Erstligaprofi bezahlt werden. Der Vertrag mit Tasmania war zwar noch nicht offiziell – eine mündliche Zusage reichte dann doch nicht –, aber der Termin mit Geldgeber Oppermann rückte schließlich immer näher. Kurz vor dem Saisonstart wollten wir uns in gemeinsamer Runde treffen und meinen Neuanfang in Berlin unter Dach und Fach bringen.
Ob ich mir das Glück durch die Eskapaden der vergangenen Monate selbst verbaut hatte? Drei Tage vor besagtem Termin bekam ich einen Anruf von Balli: Oppermann war überraschend gestorben, der Vertrag, das viele Geld, die Zukunftsaussichten damit futsch. Oppermanns Erben hatten mit Fußball nicht viel am Hut, sie hätten sich lieber die Hände abgehakt, als das schöne Geld für so etwas Unnötiges zu verbraten. Nun stand ich da. Mit einem Mietvertrag für ein Haus, das ich mir nicht leisten konnte. Mit einem Arbeitgeber in der Sechsten Liga. Mit einem angebrochenen Leben in Berlin.
Um mich bei der Stange zu halten, schrieb mir Bruno Paulenz zumindest noch einen Verrechnungsscheck über 5000 DM aus, in den kommenden Monaten sollte ich nun statt 25000 lediglich 2000 DM kassieren. Was für ein Absturz! Noch vor einem halben Jahr war ich Spieler von Werder Bremen gewesen, dem amtierenden Vizemeister. Ich hatte eine Villa in Oberneuland, einen Porsche vor der Tür. Jetzt spielte ich im Niemandsland der deutschen Fußballszene für einen Bruchteil dessen, was ich einst bei Werder kassiert hatte.
Irgendwie schafften es Balli und ich aus dem Mietvertrag herauszukommen, ein Sponsor meines neuen Clubs organisierte mir eine kleine Bude mitten im Neuköllner Kiez. Soll man es tapfer oder blind nennen, dass ich selbst in dieser ganz offensichtlich trostlosen Situation noch ernsthaft daran glaubte, noch immer zu den großen Fischen im Fußballteich zu gehören? So gut es ging ackerte ich mich durch die Vorbereitung, im ersten Pflichtspiel – einem Pokalspiel gegen den Adlershofer BC – schlug ich mich trotz der Niederlage ebenfalls recht anständig. Gespannt warteten alle im Verein auf den Beginn der Punktspielrunde. Mit Uli Borowka im zentralen defensiven Mittelfeld sollte sich doch was machen lassen in der Berliner Landesliga. Ich enttäuschte sie alle.
Am ersten Spieltag sollten wir an einem Sonntag um elf Uhr gegen den Neuköllner SC Marathon antreten. Deren Stadion
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