Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)
mir Bayern-Manager Uli Hoeneß über den Weg. Er sah sofort, dass mit mir etwas nicht stimmte. »Uli, was ist los?« Ich klagte ihm mein Leid, irgendjemanden musste ich in diesem Moment einfach von der Ungerechtigkeit erzählen. Hoeneß hörte sich das an und schüttelte den Kopf. Dann sagte er: »Uli, du hast uns als Gegenspieler nie Freude bereitet. Aber solltest du mal etwas brauchen, wenn du Karten fürs Olympiastadion benötigst oder irgendetwas anderes, dann ruf mich einfach an. Ich kümmere mich darum.«
15 Jahre lang hatte ich den FC Bayern, das Lebenswerk von Uli Hoeneß, mit allen legalen und illegalen Mitteln bekämpft. Hatte Gift und Galle in Richtung München gespuckt. Und jetzt hatte dieser Mann die Größe, mir seine Hilfe anzubieten, mir zumindest Trost zu spenden, während mein eigener Verein mich mit Füßen trat.
Ich kämpfte mich durch die ins Stadion strömenden Massen, setzte mich in mein Auto und begann hemmungslos zu heulen. Es dauerte Minuten, bis ich wieder einigermaßen klar denken konnte.
In den Monaten vor diesem traurigen Abschied aus dem Weserstadion hatte sich in meinem Leben einiges getan. Nachdem der Vertrag mit Werder endgültig aufgelöst war, brauchte ich einfach eine Auszeit. Das Angebot eines damaligen Freundes, mich für zwei Wochen mit auf die Bermuda-Inseln zu nehmen, nahm ich dankbar an. Wir flogen ins Paradies und ich ließ die Seele baumeln. Bei einem befreundeten Küchenchef des »Lobster-Pot«-Restaurants futterten wir uns durch die Speisekarte, tagsüber ging ich Hummer fischen, tauchen oder Golf spielen. Selbstverständlich soff ich mir auch hier regelmäßig die Hucke voll. Die zwölf Krüge Brandy mit Gingerbier, die ich an einem Abend im edlen Restaurant »Port O Call« in mich hineinschüttete, sind ein bis heute unerreichter Rekord …
Zurück in Bremen bekam ich eines Tages einen Anruf des Spielervermittlers Hans Hägele. Er hätte da einen neuen Verein für mich, aus Berlin, ob ich denn interessiert sei. Das konnte ja nur die Hertha sein. Zwar spielte der Hauptstadtklub zu diesem Zeitpunkt in der Zweiten Bundesliga – aus meiner damaligen Sicht für einen so tollen Fußballer wie mich natürlich eigentlich zu wenig –, anhören konnte ich mir das Angebot aber ja mal. Ich fragte Hägele, wann die Hertha-Verantwortlichen mich denn sprechen wollen würden. »Hertha?«, antwortete Hägele. »Nix Hertha! Tasmania Berlin, Landesliga!«
In Gedanken rechnete ich die Ligen herunter. Sechste Liga! Wollte mich Hägele verarschen? Nein, er meinte es ernst. Und ich hätte auch sicherlich sofort aufgelegt, wenn mein Gesprächspartner mir nicht anschließend von den finanziellen Konditionen berichtet hätte. 25000 DM monatlich plus Haus plus Auto plus Prämien. So viel wie zu meinen besten Zeiten in Bremen. Außerdem: Ein Dreijahresvertrag als Spieler mit anschließender Option, drei weitere Jahre den Managerposten bei Tasmania zu bekleiden. Bei einem Club, der in diesen Jahren mindestens bis in die Zweite Bundesliga aufsteigen wollte.
Ich legte nicht auf. Ich vereinbarte ein Treffen in Berlin, so schnell wie möglich. Dieses Angebot wollte ich persönlich bestätigt bekommen.
Also fuhr ich Ende März 1996 nach Berlin und mietete mich für acht Tage im »Hotel Estrel« ein. Von den Tasmania-Verantwortlichen wurde ich über die Situation aufgeklärt: Der fußballverrückte und schwerreiche Wachschutz-Unternehmer Oppermann wollte mit seinem Geld die sportlich schwer angeschlagene Tasmania wieder auf Kurs bringen. Dafür brauchte der Klub einen Mann mit Bundesligaerfahrung als Zugpferd. Das sollte ich sein. Mit am Tisch bei diesem ersten Treffen saßen der Tasmania-Manager Bruno Paulenz, sein Sohn Jan und aus dem Tasmania-Vorstand Wolfgang Wendler und ein Typ namens Olaf Balitzki. »Balli«, wie er von allen genannt wurde, war mir gleich sympathisch. Balli, ein ehemaliger Oberligaspieler, schlug sich inzwischen als Lebenskünstler in allen Lagen durch die Berliner Szene. Ich sagte den Berlinern zu. Das musste erstmal gefeiert werden.
Da war ich bei Balli genau an der richtigen Adresse. Schon am ersten Abend zogen wir gemeinsam durch das Berliner Nachtleben, ich trank die Theken leer und tanzte mit meinem neuen Kumpel durch den angesagten Club »Annabelle’s«, ein Laden, den ich bereits in meiner Zeit als Profifußballer kennengelernt hatte. Jeden Abend gingen Balli und ich auf Tour, und ich genoss diesen ziellosen Alltag zwischen Berliner Kneipen und der
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