Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)
Rücken. Ich lag am Boden, ich war fertig, das wusste jeder im Verein. Doch diese beiden Herren traten noch auf mich ein. Geschockt stolperte ich aus dem Büro.
Verzweifelt rief ich in England bei Howard Wilkinson an und versuchte ihm die Lage zu erklären. »Tut mir leid, mein Junge, das war so nicht abgemacht. 250000 DM können wir nicht ausgeben«, kam als Antwort zurück. Ein paar Tage lange versuchte ich noch irgendwie den Wechsel zu retten, aber schließlich brach der Kontakt nach Leeds endgültig ab. Es war vorbei.
Die kommenden zwei Wochen waren grausam. Ich trainierte mit der Mannschaft und war doch nicht Teil von ihr. Jeden Tag fraß ich mehr Hass und Wut in mich hinein. Wie ein Schnellkochtopf, der auf der Herdplatte vergessen wurde, drohte ich jeden Moment zu explodieren. Am 17. Februar war es so weit. Nach einem Telefonat mit Carmen stieg ich wutentbrannt, besoffen und ohne Fahrerlaubnis in mein Auto und raste zum Haus ihrer Eltern. Es kam, wie es kommen musste: Der Streit eskalierte, ich begann zu randalieren, Carmen rief die Polizei und ich verbrachte eine weitere Nacht in der Ausnüchterungszelle. Natürlich blieb auch dieser Ausfall meinen Vorgesetzten nicht verborgen. Auf dem Präsidium drohte man mir mit einer dritten und letzten Abmahnung. Die hätte nach damaligen Regularieren eine europaweite einjährige Sperre zur Folge gehabt. Wenigstens das blieb mir erspart. Die eigentliche Strafe konnte sich allerdings durchaus sehen lassen: Meine restlichen fünf Monatsgehälter, also insgesamt 125000 DM, würde der Verein einbehalten, ab sofort war ich in Bremen nicht mehr erwünscht. Kurz bevor ich gehen wollte, hatte mir der Manager noch etwas zu sagen.
»Uli, bevor ich es vergesse: Du bist ab sofort ablösefrei.«
Wer weiß, was passiert wäre, wenn ich in diesem Moment nicht eine meiner nüchternen Stunden erwischt hätte. Vermutlich hätte ich dem Mann nach allen Regeln der Kunst die Fresse poliert. So aber tickte ich lediglich verbal aus und packte meinen ganzen Zorn in die Hasstirade.
Wochen später saß ich wieder einmal alleine und vor Einsamkeit und Selbstmitleid gebeugt in meinem Haus. Zwei weitere Probetrainingeinheiten mit den Bolton Wanderers und dem FC Southhampton hatten nichts eingebracht. Die Trainingsplätze von Werder hatte ich seit Tagen nicht mehr betreten. Ohne mich war der SVW unter dem neuen Trainer Dixie Dörner in die Rückrunde gestartet. Ich rief Carmen an, ich wollte mit meinen Kindern sprechen. Nur ein paar Worte zwischen Vater und Sohn und Vater und Tochter. Doch niemand nahm ab. Ich versuchte es noch mal und noch mal, doch ohne Erfolg. Mit einer Pulle Wein ging ich durch die Räume unseres Hauses. Unser Schlafzimmer. Die Küche. Die Zimmer von Tomek und Irina. Unser Garten. Wie kalt und abstoßend das alles wirkte ohne meine Familie. Ich fasste einen Entschluss. Wählte die Nummer eines Umzugunternehmens. Trank die Flasche Wein leer und öffnete eine neue. Packte zwei große Sporttaschen voll mit Klamotten, meinen Uhren und Krawatten. Und wartete auf den nächsten Tag.
Stück für Stück trugen die Möbelpacker die restlichen Möbel aus dem Haus. Alles was nicht niet- und nagelfest war, verschwand im Bauch des großen LKWs und machte sich auf die Reise nach Rickelrath und Hemer, zu Carmen und meinen Eltern. Weg, nur weg damit. Zurück blieben die beiden Sporttaschen, eine Matratze, eine Decke, ein Kopfkissen, die Hausapotheke und die Alkoholvorräte.
Als der letzte Stuhl im LKW verstaut war, schloss ich die Tür. In jedem Zimmer löschte ich das Licht und ließ die Rolläden herunter. Kein Licht sollte mehr in dieses Haus dringen. Die Matratze schleifte ich ins Wohnzimmer. Der Kamin war aus.
Ich war der einsamste Mensch der Welt.
Tagesbericht, Fachklinik Fredeburg
26. bis 28. Mai 2000
Jetzt hat es mich auch erwischt. Eine Grippe ist im Anmarsch und das nicht zu knapp. Nach einigem Hin und Her habe ich dann auch die Medikamente bekommen, die ich brauche. Ich glaube, wenn ich nicht so ein Palaver gemacht hätte, stünde ich jetzt ohne Medikamente da. Zum Glück kann ich mich ab und zu durchsetzen. Für mich ist das ganz wichtig, weil ich meine Ziele jetzt ganz klar vor Augen habe und mich da auch durchsetzen muss. Am Wochenende haben mich Tomek und Irina angerufen. Tomek war sehr traurig, er fing an zu weinen. Er vermisst mich sehr und ist traurig, dass ich nicht da bin, um mit ihm zu spielen. Das Gleiche gilt auch für Irina. Beide haben sich auch Sorgen
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