Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)
gestellt. Beim Abendessen haben wir in der Klinik unsere Therapie nochmal Revue passieren lassen. Dabei wurde auch über unsere Zeit danach geredet. Hier in Fredeburg kann ich meine Gefühle oder Unzufriedenheit ansprechen. Aber draußen? Da wartet noch viel Arbeit auf mich. Ich denke, dass meine Mutter, meine Schwester und mein Schwager mich dabei unterstützen werden, wenn ich reden möchte. Später rief meine Frau nochmals an und sagte mir, dass Irina wütend auf mich sei und weine. Tomek sei still und traurig und fresse alles in sich hinein. Ich wünsche mir, dass ich noch oft mit den Kindern über meine und ihre Probleme reden kann und so wieder Vertrauen herstellen kann. Das wird schwer.
23. bis 25. Juni 2000
Am Wochenende habe ich oft mit meiner Frau, Irina und Tomek gesprochen. Sehr lange und gute Gespräche, wie ich meine. Die Kinder freuen sich und ich mich auch. Ich denke, dass die beiden sehr gerne in der nächsten Woche zu mir kommen wollen. Meine Frau hat sich in der letzten Woche sehr für meine Therapie interessiert, aber auch meine Befürchtung bestätigt, dass sie kaum noch in der Lage ist, mit mir zusammenzuleben. Wenn sich unser Kontakt verbessert, bin ich sehr froh, denn ich meine, gerade für die Kinder ist der Vater auch sehr wichtig. Ich bin auf einem guten Weg und will das durchzuziehen, ohne mich dabei zu vernachlässigen. Ich werde mit mir besser umgehen und meine Gefühle genau beobachten und auch aussprechen.
26. Juni 2000
Mein Abschied vom Team III war sehr schön. Ich habe alles rübergebracht und auch ausgedrückt und gesagt, was ich wollte. Das hat mir gutgetan. Dann kam das Gespräch mit Herrn Spieckhoff. Für mich sehr gut, weil ich seine Meinung unbedingt hören wollte. Im Positiven und im Negativen. Wir haben auch über meine Familie gesprochen, und ich habe auch gesagt, dass ich Angst habe, mich gegenüber den Kindern falsch zu verhalten. Ich bin froh, dass ich das Gespräch gesucht habe. Ich weiß jetzt auch, dass ich noch vieles verinnerlichen muss, um suchtfrei leben zu können. Ich führe viele Gespräche mit Mitpatienten, meinen Eltern, Kindern und meiner Frau, weiß aber, dass ich meine Meinung voll vertreten, diese auch durch Fakten belegen und aussprechen kann. Trauer, Wut, Enttäuschung genauso wie Angst. Das ist mir bewusst geworden. Nicht alles in mich reinfressen, sondern aussprechen.
Abschlussbericht
Ich bin ein wenig stolz auf mich, dass ich hier alles so gut wie möglich für mich erledigen konnte. Ich gehe hier weg von Fredeburg mit einem guten Gefühl für mich. Ich habe vieles für mich aufgearbeitet und verstanden. In meinem Sonderurlaub und in meinen Heimattagen hatte ich keine Probleme und keinen Saufdruck. Das stimmt mich sehr positiv für meine Zeit nach der Therapie. Ich habe hier am eigenen Leib erfahren, wie schmerzlich es ist, nicht über Ärger oder Trauer zu reden. Ich habe hier Freunde gefunden, denen es nicht egal ist, was mit mir passiert. Ich habe gelernt, über Freude, Trauer und Ärger zu sprechen; dass es sich manchmal lohnt, Hilfe zu holen. Es macht mich traurig, dass ich die letzten Jahre durch den Suff meine Kinder nicht habe aufwachsen sehen. Das tut sehr weh. Doch ich kann das nicht ungeschehen machen und muss noch vieles für mich aufarbeiten. Das, was ich am meisten liebe, habe ich verloren. Über diese Dinge zu sprechen, fällt mir wahrlich nicht leicht, aber es hilft. Vor ein paar Monaten hätte ich schon bei dem Gedanken an meine Familie zum Glas gegriffen. Jetzt habe ich den Willen, das alles zu ändern. Ich höre jetzt auf zu schreiben, sonst fange ich noch an zu weinen. Mir ist gerade danach.
Und tschüss.
TROCKEN: EIN NEUSTART MIT HINDERNISSEN
Es ist schwer zu beschreiben, wie es ist, wenn man als trockener Alkoholiker eine Klinik verlässt, die man Monate zuvor als hoffnungsloser Fall betreten hat. In meinem Schädel tobte ein Gefühlsmatsch aus Dankbarkeit, Müdigkeit, Stolz, Ungewissheit und Freude. Den ersten Schritt in ein neues Leben hatte ich getan. Erfolgreich. Doch die eigentliche Arbeit begann erst jetzt.
Es war ja nicht so, dass mich meine Frau und meine Kinder freudestrahlend erwarteten, wir uns herzlich umarmten, in unser gemeinsames Zuhause fuhren und alle früheren Probleme ganz schnell vergaßen. Die Wunden, die ich mir und meiner Familie zugefügt hatte, waren noch längst nicht verheilt. Ich stand weiterhin vor einem privaten Scherbenhaufen, daran hatte auch der Entzug nichts geändert. Ich war
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