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Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)

Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)

Titel: Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Raack
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pleite, meine Frau wollte mich nicht, meine Kinder durften mich nicht sehen und ich durfte meine Kinder nicht sehen. Ich hatte keinen Job und keine Perspektive. Ich musste wieder ganz von vorne beginnen.
    Aber immerhin war ich nun trocken. Nüchtern. Der Alkohol war in vier harten Monaten aus meinem Körper und meinem Kopf gewaschen worden. Was nicht hieß, dass ich nun geheilt war. Alkoholiker bleiben ihr ganzes Leben lang gefährdet. Es gibt verschiedene Arten, damit erfolgreich umzugehen. Ich wählte die radikale Variante. Natürlich. Seit dem Tag meiner Entlassung untersuche ich jeden Einkauf im Supermarkt, ob er nicht doch irgendwie Alkohol enthält. Das ist gar nicht so einfach. Gummibärchen, Tomatensuppe, bestimmte Eissorten, Cocktailsoßen – überall ist Alkohol drin! Wenn ich in ein Restaurant gehe, frage ich die Kellner, ob in den Speisen Alkohol enthalten ist. Ein trockener Alkoholiker ist immer auf der Hut.
    Entsprechend geschockt reagierten meine Ärzte, als ich ihnen von meinen unmittelbaren Plänen in der Zeit nach Bad Fredeburg erzählte. Für den Neuanfang wollte ich dorthin zurück, wo alles angefangen hatte. Nach Hause, nach Hemer, an die Oese, zurück zum Ascheplatz, zurück zu meinen Eltern. Zurück in die Gaststätte.
    Ein trockener Alkoholiker, der den Neustart am Tresen beginnt, was für ein Widerspruch! Doch wo sollte ich sonst hin? Außerdem passte die Gaststätte meiner Eltern zu meinem Radikalplan. Wenn ich es hier ohne Alkohol überstand, würde ich es überall schaffen.
    In den letzten Telefonaten vor der Entlassung hatte ich mit meinen Eltern telefoniert. Ganz bewusst bat ich meinen Vater, mich am Tag der Entlassung mit dem Auto abzuholen. Allein. Es war Zeit, mich mit meinem Vater zu unterhalten. Ein Gespräch unter Männern. In der einen Stunde, die man von Bad Fredeburg nach Hemer braucht, konnte mir mein Vater nicht davonlaufen, hier musste er mir zuhören.
    »Papa«, begann ich, als die ersten Begrüßungsfloskeln getauscht waren, »wir müssen reden.« Also redeten wir. Ich habe in diesem Buch viel, sogar sehr viel aus meinem Leben verraten. Doch dieses Gespräch geht im Detail nur mich und meinen Vater etwas an. Es war mir einfach ein Anliegen, meinem alten Herren von mir und meinen Plänen und meinen Gedanken zu erzählen. Der nächste Erfolg. Erst in der Klinik hatte ich gelernt, wie wichtig solche offenen Gespräche sein können. Wie viel Mut es braucht, einfach mal den Mund aufzumachen und über seine Gefühle zu sprechen, statt jeden Tag den harten Hund zu mimen. Als wir die Gaststätte meiner Eltern erreichten, fühlte ich mich leicht wie ein Vogel. Und auf der Rückbank lag der Ballast, den ich in der Stunde zuvor abgeworfen hatte. Ich glaube, meinem Vater ging es genauso.

    Papa wird 60, gefeiert wird natürlich in der heimischen Gaststätte. Mit dabei von links nach rechts: meine Schwester Astrid, ich, meine Mutter Erika und der Jubilar Ernst Borowka. Vier Jahre später verstarb mein Vater viel zu früh an den Folgen eines Nierenleidens.    © Uli Borowka privat
    Ich blieb einige Wochen bei meinen Eltern, ehe ich den nächsten Schritt wagte. Wieder hätten meine Therapeuten die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen ob der Wahl meines neuen Wohnorts. Ich zog nach Berlin. Zurück zu Balli, der mich bei sich wohnen ließ. Zurück zu den alten Saufkumpanen, den Zockern, Spielern, Trinkern, Feierbiestern. Zurück in die Höhle des Löwen. Wenn man nicht weiß, wohin der Weg führt, muss man eben manchmal auch zwei Schritte zurückgehen.
    Als eine meiner ersten Amtshandlungen stattete ich dem »Rockys Inn« einen Besuch ab, dem Ort, wo ich an manchen Abenden im Alleingang dafür gesorgt hatte, dass dem Barkeeper nicht langweilig wurde. Die Stammkunden, meine alten Bekannten, begrüßten mich freundlich, aber auch skeptisch. War das nicht noch immer der Borowka, der hier so häufig zum Tresen getorkelt war? Ich konnte die Fragezeichen in ihren Gesichtern erkennen. Aber auch damit muss ein Suchtkranker nach erfolgreicher Therapie klarkommen, auch davor hatten mich die Therapeuten gewarnt: vor den Zweiflern, den Unwissenden, ja, sogar den Idioten, die es offenbar als sportlichen Wettbewerb ansehen, einem trockenen Alkoholiker das erste Bier unterzujubeln. Die Welt ist voller Arschlöcher. Das wusste ich schon vorher, aber jetzt wurde ich darin noch einmal bestätigt. Viele Jahre später musste ich erleben, wie mir ein Wildfremder heimlich Wodka in ein Glas Red Bull

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