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Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)

Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)

Titel: Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Raack
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die Aggressionen, die ja auch Folge der Sauferei waren, zu verdrängen oder gar nicht erst aufkeimen zu lassen und halbwegs vernünftig mit Carmen zu kommunizieren. Dass ich unsere Ehe trotzdem nicht mehr würde retten können, war mir irgendwie klar. Auch wenn ich zu hoffen vorgab, dass alles bald wieder so werden würde wie am Anfang unserer Beziehung.
    Fast noch schlimmer als der fehlende Kontakt zu Carmen war, dass ich in all den Monaten meine Kinder so selten zu Gesicht bekam. Sie fehlten mir jeden Tag. Manchmal sprachen wir am Telefon, doch das half nur kurzfristig. Nicht selten musste ich mich nach solchen Telefonaten bei Karl-Friedrich auf dem Balkon ausheulen. Nur einmal kamen sie mich besuchen – tagelang sprach ich anschließend von nichts anderem.
    Wenn ich dagegen etwas in der Klinik hatte, dann war es Zeit. Manchmal wusste ich nicht, wohin mit meiner Langeweile, doch genau diese freie Zeit gehörte ja auch zum Therapieprogramm. Zeit, um sich mit sich selbst und seinen Problemen, seinen Träumen und Hoffnungen zu beschäftigen. Ich war, auch durch die ständigen Gespräche, dazu gezwungen, intensiv über mich, mein Verhalten und meine Ziele für die Zukunft nachzudenken. Wie war ich zu dem Menschen geworden, der ich war? Wann hatte das ganze Elend angefangen? War ich wütend auf mich? Stolz? Enttäuscht?
    Nach und nach setzte ich die Puzzleteile meines in tausend Stücke zerbrochenen Lebens zusammen. Die Fahrten mit Carmen nach Düsseldorf, meine Kneipenbesuche, während sie auf Shoppingtour ging. Warum hatte ich das getan? Weil ich schon damals, also 1984, ganz am Anfang meiner Karriere, psychisch abhängig gewesen war. Ein Kranker, ein Alkoholiker. Dessen Körper und dessen Wille es ihm erlaubten, trotzdem eine beachtliche Laufbahn als Profifußballer hinzulegen. Und die vielen Abende und Nächte in meinen Stammkneipen? Warum hatte ich die Gesellschaft von losen Bekannten vorgezogen und mich besoffen, statt mich den Problemen meiner Familie und meiner Beziehung zu stellen? Weil ich schwach gewesen war. Weil mich die Probleme neben dem ja ohnehin anstrengenden Dasein als Leistungssportler schlichtweg überfordert hatten. Trotzdem: Warum wurde mir, der sich doch tagtäglich um die Befindlichkeiten seines Körpers kümmerte, der sich im Training schindete, sich regelmäßig von Spezialisten massieren und behandeln ließ, nicht bewusst, dass der viele Alkohol meinem Körper schadete? In Ralf Schneiders Die Suchtfibel, einem Standardwerk zum Thema Alkoholsucht, fand ich Antworten auf die vielen Fragen in meinem Kopf. »Der Trinker«, heißt es da unter anderem im Kapitel »Wie entwickelt sich die Abhängigkeit?«, »führt seine Erleichterung eher auf die Situation, die anregenden Partner und die lustige Gesellschaft als auf das Trinken zurück. Deshalb sucht er häufiger die Gelegenheit, Alkohol zu trinken.« Ganz genau. Zu Hause bekam ich mich mit meiner Frau in die Haare. In der Stammkneipe fand ich die Streicheleinheiten, die ich brauchte. Das Bier, der Schnaps, der Rausch? Hinderten mich ja nicht daran am nächsten Morgen auf dem Trainingsplatz meiner Arbeit nachzugehen. Wo also war das Problem? In Fredeburg lernte ich, dass gerade diese Passivität dafür gesorgt hatte, dass ich mein Leben schließlich blindlings vor die Wand gefahren hatte.
    Solche Dinge rauschten mir tagtäglich durch den Kopf. Möglichkeiten, um meinem Kopf auch mal Ruhepausen zu gönnen, fand ich auf dem klinikeigenen Bolzplatz, bei ausgiebigen Spaziergängen (die genehmigt zu bekommen allerdings einen nicht unerheblichen bürokratischen Aufwand erforderten) und in der Werkstatt. Das erste Mal in meinem Leben sollte ich töpfern und – Fensterbilder gestalten! Töpfern Sie einen Gebrauchsgegenstand, lautete die Aufgabe. Ich töpferte einen Krug in Form des DFB-Pokals und musste mich anschließend vor meiner Therapeutin rechtfertigen, die den Pokal zunächst nicht als Gebrauchsgegenstand akzeptieren wollte. Kreativer war ich da schon bei den Fensterbildern, auch »Window Colour« genannt. Viele Bilder malte ich für meinen Sohn und meine Tochter, von den künstlerisch begabteren Patienten schaute ich mir ein paar Motive ab.
    Zu einer weiteren Leidenschaft in Bad Fredeburg wurde für mich das Brettspiel »Siedler«. Weiß der Teufel, wie viele Partien ich gemeinsam mit Karl-Friedrich und zwei weiteren Mitspielern an dem kleinen Tisch im Aufenthaltsraum absolvierte! Mitunter konnte es bei unseren Spielen auch schon mal derber

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