Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)
haben …« Ersparen wir uns den weiteren Spielverlauf. Wieder machte ich ein ordentliches Spiel, wieder verloren wir. Diesmal mit 0:2 durch einen Treffer von Stephan Engels und einem herrlichen Lupfer von Pierre Littbarski. Eine Niederlage gegen den großen Konkurrenten, das tat mehr weh als jede Trainingsgrätsche von Hans-Günter Bruns. So eine Derby-Pleite, das musste ich bald erkennen, kann dir in Mönchengladbach viele Wochen versauen. Wir Spieler mieden nach dieser Schmach die Kneipen und Cafés in der Innenstadt, selbst beim Brötchenholen spürte ich die enttäuschten Blicke der Bäckersfrau. Als wir wenige Tage nach dem Spiel auf einem Ausweichplatz in Mönchengladbach-Holt trainieren mussten, pfiffen uns sogar die Dachdecker auf den nahen Baugerüsten gnadenlos aus.
Meine persönliche Bilanz als Bundesligaspieler war verheerend. Zwei Spiele, zwei Niederlagen, darunter eine gegen den 1. FC Köln. Und es wurde noch schlimmer. Auch in den beiden darauf folgenden Partien gegen Eintracht Frankfurt und den Hamburger SV schlichen wir am Ende als Verlierer vom Platz. Am 27. Spieltag, nur eineinhalb Monate nachdem die Borussia noch auf Platz zwei gestanden hatte, waren wir auf Rang sieben zurückgefallen. Natürlich stellte ich mir die Frage: Lag es an mir, dass plötzlich alles schiefging? War es meine fehlende Routine, die der Mannschaft das Siegen nicht mehr möglich machte? Schwachsinn, sagten meine Mitspieler. Schwachsinn, sagte auch mein Trainer. Trotz der Pleiten hatte ich meine Aufgaben erledigt, war gerannt und gegrätscht, hatte das getan, was man von mir verlangte. Und, Gott sei Dank, im fünften Spiel als Profi durfte ich dann endlich auch mal einen Sieg bejubeln. Ein schnödes 1:0 gegen den MSV Duisburg (der nach dieser Saison als Tabellenletzter in die Zweite Bundesliga absteigen musste) beendete meine gruselige Niederlagenserie. Dass der einzige Treffer des Spiels in der 82. Minute durch den Duisburger Frank Saborowski gefallen war, interessierte mich anschließend nicht die Bohne.
Einem 0:0 gegen den VfB Stuttgart folgte am 30. Spieltag ein 4:2-Sieg gegen den VfL Bochum. Eine Woche später empfing uns Arminia Bielefeld, und natürlich konnte ich vor Spielbeginn nicht ahnen, dass diese Partie meine letzte in der laufenden Saison sein würde.
Es gibt ein Foto von diesem 32. Spieltag in Bielefeld. Es zeigt mich Rotz und Wasser heulend, das Gesicht tief eingegraben in die Jacke von Co-Trainer Wolf Werner. Ein 19-jähriges Milchgesicht, das glaubt, soeben einen Blick in die Hölle geworfen zu haben. Das noch nicht weiß, was das Leben so alles an Schicksalsschlägen noch bereithält. Es zeigt den achtfachen Bundesligaspieler Uli Borowka, der soeben die erste und einzige Rote Karte seines Lebens gesehen hat.
Was war passiert? Eine Halbzeit lang hatten wir uns in der Defensive redlich gegen die offensivstarken Bielefelder bemüht, die, angeführt vom späteren Gladbacher Ewald Lienen, das Spiel eindeutig im Griff hatten. Meinen Gegenspieler Herbert Reiss, ein flinker Angreifer, hatte ich mehrfach nur durch Fouls bremsen können und war von Schiedsrichter Norbert Brückner aus Berlin dafür bereits mit der Gelben Karte verwarnt worden. Eine Minute war nach Wiederanpfiff gespielt, als ich erneut zu spät kam und Reiss mit einer heftigen Grätsche am rechten Knöchel erwischte. Schiri Brückner zeigte mir die Rote Karte.
Platzverweis. In meiner ersten Saison, in meinem achten Saisonspiel. Zu einem Zeitpunkt, als ich mich gerade in die Stammelf vorgekämpft hatte. Schluchzend hing ich dem armen Wolf Werner an der Schulter und klagte der Welt mein Leid. In Unterzahl verloren wir noch mit sage und schreibe 0:5. Eine furchtbare Klatsche, die zumindest meine Saison beendete. Das DFB-Sportgericht verurteilte mich für meinen Platzverweis zu drei Spielen Sperre. Und schon wieder sah ich meine noch junge Karriere an einem seidenen Faden hängen.
FAHRER VON MATTHÄUS
Mein Kumpel Lothar
Es würde zu weit führen, wenn ich behaupten würde, dass es im Fußball keine Freundschaften geben kann. Natürlich entstanden auch bei mir im Laufe der Jahre gute Bekanntschaften zu einigen meiner Mitspieler. Als Fußballprofi lebst du in einer Art Kokon. Wenn man nicht gerade ein anderes Hobby oder viele Freunde aus der Schulzeit mit in das Erwachsendasein gerettet hat, kommt man zwangsläufig hauptsächlich mit anderen Fußballern in Kontakt. Einer meiner engsten Bekannten in den Gladbacher Jahren war Lothar Matthäus.
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