Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)
hörte ich das Wasser plätschern, dann erschien Wolfgang splitterfasernackt im Zimmer, schmiss sich auf sein Bett und wälzte sich in den frischen Laken trocken. Ein kurioses Schauspiel. Kaum war er damit fertig, schnappte er sich seine Sachen, warf sie auf mein Bett, zeigte auf den nassen und zerknitterten Haufen Wäsche und sagte: »Ach übrigens: Das ist jetzt dein Bett!« Völlig verdutzt zog ich die feuchte Bettwäsche ab und hing sie zum Trocknen über die Heizung. Und das war noch nicht alles. Als wir am nächsten Morgen auschecken wollten, hing der schöne Fernseher nicht mehr in seiner Verankerung. Wolfgang hatte sich daran gestört, zu sehr den Kopf verrenken zu müssen, also hatte er das Teil einfach aus den Schienen gebrochen. Ihm war das völlig egal, aber mir war diese Sache furchtbar peinlich. Selbst als wir schon im Mannschaftsbus saßen, fürchtete ich, dass jeden Moment ein wütender Hotelangestellter in den Mittelgang stürzen würde. Ich aber war Wolfgang noch nicht einmal böse, denn so war er halt, dachte ich damals.
Ein besonderes Augenmerk hatte ich natürlich auf unsere Verteidiger. Hans-Günter Bruns, Winnie Hannes, Norbert Ringels, Frank Schäffer. Namen, die den Gegnern schon weh taten, wenn sie nur an der Anzeigetafel standen. Allen voran unser Libero Hans-Günter Bruns, den wir aufgrund seiner fast schon schlohweißen Haarpracht nur den »Schwatten« nannten. Bruns war ein knallharter Typ, und wenn ihm etwas nicht passte, dann konnte er äußerst ungemütlich werden. Außerdem war er kein Kostverächter und erschien nicht nur einmal mit ein paar Kilos zu viel beim Training. Jupp Heynckes kannte diesbezüglich kein Erbarmen, er steckte seinen Libero dann ohne mit der Wimper zu zucken während des abschließenden Trainingsspielchens in die B-Mannschaft. Für einen verdienten Stammspieler wie Hans-Günter eine ungeheure Demütigung!
Einige Jahre später, ich konnte mir inzwischen auch mal erlauben, im Training die Klappe aufzureißen, wurde Bruns wieder einmal in die B-Elf degradiert. Zur zweiten Halbzeit wechselte ihn Heynckes dann in die A-Mannschaft, wo auch ich spielte. Bruns war noch immer fürchterlich gelaunt, er stauchte uns bei jedem Fehlpass lautstark zusammen. Irgendwann hatte ich genug, ich drehte mich zu ihm um und rief: »Halt die Schnauze, Schwatter, sonst spielst du gleich wieder mit der B-Mannschaft!« Das ließ ihn prompt verstummen. Zufrieden lief ich weiter, davon überzeugt, dem Wüterich den Wind aus den Segeln genommen zu haben. Plötzlich spürte ich hinter mir ein Schnauben im Nacken und kurz darauf einen heftigen Schmerz im Oberschenkel. Mit blutigen Kratzern am Bein fiel ich ins Gras, über mir der »Schwatte«, der mir mit einer brutalen Grätsche die Stollen ins Fleisch gerammt hatte. Mit hochrotem Kopf brüllte er mich an: »So sprichst du nicht mit deinem Libero!« Und wieder hatte ich eine neue Lektion gelernt.
Lernen und beobachten, viel mehr hatte ich in meiner ersten Hinrunde als Bundesligaprofi auch nicht zu tun. Unsere Defensivreihe machte ihren Job so hervorragend, dass sich für mich als unerfahrener Neuling keine Chance auf ein Debüt bot. Selbst als sich Innenverteidiger Jürgen Fleer am 16. Januar 1982 beim Auswärtsspiel in Bremen auf dem gefrorenen Rasen im Weserstadion die Kniescheibe brach, ließ mich Heynckes auf der Bank und brachte stattdessen den erfahrenen Bernd Schmider. Der Erfolg gab ihm Recht: Nach einem 4:2-Erfolg gegen Eintracht Braunschweig am 21. Spieltag standen wir sogar kurzzeitig auf dem zweiten Tabellenplatz. Mit meinem ersten Einsatz in der Bundesliga würde es in dieser Saison wohl noch nichts werden.
Ich unterdrückte den brennenden Ehrgeiz auf meine Weise und sammelte weiter fleißig Informationen über den Alltag als Fußballprofi. Wie Heinz Sielmann seine Vögel beobachtete ich die Kollegen bei der täglichen Arbeit. Wer tapte sich wie die Knöchel? Wann ging Winnie Hannes auf den Platz? Wie machte sich Norbert Ringels warm? Wann entschied Lothar Matthäus, welche Schuhe er tragen sollte? Welches Ritual hatte Hans-Günter Bruns vor wichtigen Spielen? Wie ernst nahmen die Routiniers die Bettruhe im Trainingslager? Wer ging ins Kino, wer blieb stattdessen auf dem Zimmer? Und vor allem: Wie verhielten sich meine Kollegen auf dem Spielfeld? All das speicherte ich ab. Eine Eigenschaft, die ich wohl von meinem Vater geerbt habe. Wenn wir früher mit der Familie in den Urlaub fuhren, konnte sich mein Vater stundenlang an
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