Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)
gegeben!«
Mein Vater holte tief Luft und sagte: »Tja. Dann hast du es ja geschafft.«
Tja, dann hatte ich es ja geschafft. Dass meinem Vater nach diesem Anruf die Augen vor Stolz glänzten, erfuhr ich erst einige Zeit nach unserem Telefonat. Natürlich von meiner Mutter.
Tagesbericht, Fachklinik Fredeburg
16. März 2000
Der Tag begann mit der Gruppe. Hendryk besprach seine Problematik. Er hatte eine Auszeit und musste dazu Stellung nehmen. Mit seinen Aussagen konnte ich nicht allzu viel anfangen. Herbert besprach danach sein Angehörigen-Seminar. Seine Probleme sind in etwa mit meinen gleichzusetzen. Wenn ich an seiner Stelle gewesen wäre, hätte ich nicht so ruhig bleiben können. Ich hätte mit meiner Eifersucht (obwohl meine Frau und ich seit 1996 getrennt leben) mit Sicherheit Mist gebaut. In der Klinikwerkstatt durfte ich mir erst alles angucken und dann loslegen. Ich habe vorher noch nie getöpfert (habe den DFB-Pokal nachgestellt), was mir aber leicht von der Hand ging.
17. März 2000
In der Themengruppe ging es heute um die Co-Abhängigkeit. Nach längerem Zuhören ist mir klar geworden, dass viele Menschen in meinem Leben sich schuldig gemacht haben. Meine Eltern, meine Freunde und meine Frau. Sie haben mir alle geholfen, mein Alkoholproblem nicht offen anzusprechen. Und ich habe das Alkoholproblem immer heruntergespielt.
FEUERTAUFE IN NÜRNBERG
Das Bundesliga-Debüt
Nicht dass sich etwas an meinem Status geändert hätte: Weiterhin war ich in dieser Mannschaft nur Lehrling und die erfahrenen Kollegen meine Meister. Profivertrag hin oder her. Ich trainierte fleißig mit der ersten Mannschaft, zu der ich ja nun auch offiziell gehörte, fuhr mit zu den Spielen – und setzte mich auf die Ersatzbank. Weiß der Teufel, warum die jungen Spieler heute nach wenigen Wochen auf der Auswechselbank schon anfangen, sich über ihre Situation zu beklagen. Ich genoss es, so nah dabei zu sein, wenn auch nicht mittendrin. Natürlich brannte ich auf meinen ersten Einsatz in der Bundesliga, auf die erste Grätsche, die ersten Jubelstürme von der Tribüne. Meine Zeit würde kommen, das hatte mir Jupp Heynckes zu verstehen gegeben. Und ich glaubte ihm, warum auch nicht? Ohne Jupp wäre ich bei der Borussia wahrscheinlich noch nicht einmal Platzwart geworden. Er hatte mich zu einem besseren Fußballer gemacht und jedes Training, jedes Spiel auf der Ersatzbank brachte mich in meiner Entwicklung voran. Die Schulzeit hatte ich mit Ach und Krach hinter mich gebracht, doch die wahre Lehrzeit begann erst jetzt, in der Saison 1981/82. Ich hielt Augen und Ohren offen und speicherte sämtliche neuen Informationen in meinem Inneren ab. Neues zu entdecken gab es genug. Allein unser Kader war in diesen Jahren eine Attraktion für sich. Gladbach-Fans werden bei den Namen Kleff, Bruns, Hannes, Matthäus, Ringels, Rahn und Mill noch heute feuchte Augen bekommen. Ich genoss einfach das Privileg, Teil dieser Truppe zu sein.
Da war Wolfgang Kleff, die Gladbacher Torwartlegende. Ein totaler Chaot, der sein gesamtes Leben in seiner Sitzbank in der Kabine und seinem Wagen verteilt zu haben schien. Öffnete er die Sitzbank, stach ihm die private Post von vor einem Monat in die Augen, und in seinem Wagen sah es aus wie nach einem Erdbeben. Wenn Wolfgang vom Verein ein neues Auto gestellt bekam, dann konnte man sich sicher sein, dass dieses Vehikel nach vier Wochen aussah, als wäre ein viel beschäftigter Vertreter damit seit zehn Jahren ständig unterwegs gewesen. Die Türen schlossen nicht mehr richtig, die Sitze quietschten – bis heute weiß ich nicht, was Wolfgang seinen armen Autos nur immer angetan hat. Während eines Auswärtsspiels in Frankfurt konnte ich ihn etwas besser kennenlernen. Wenn wir mit der Mannschaft in Frankfurt spielten, übernachteten wir immer in einem schicken Fünf-Sterne-Hotel. Dort angekommen, teilte uns Jupp die Zimmerbelegung mit: Wolfgang Kleff mit Uli Borowka. Das konnte ja was werden. Wolfgang, ganz Profi, ließ sich an der Rezeption die Schlüssel geben, schmiss seine Tasche auf den Boden und ich (mit Tasche) marschierte hinter ihm her. Für mich Novizen waren solch edle Unterkünfte noch eine Attraktion, staunend musterte ich die schweren Eichenmöbel und den riesigen Fernseher in unserem Zimmer, der auf Schienen aus dem Schrank gezogen werden konnte. »Welches Bett willst du haben?«, fragte ich Wolfgang. Er wies mir meinen Platz zu und verabschiedete sich dann unter die Dusche. Minutenlang
Weitere Kostenlose Bücher