Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)
»Da war ein Panzer«, sagte ich. Großes Gejohle. Keiner wollte uns die Geschichte mit dem Panzer abnehmen.
Als wir besagtes Etablissement in Brinkum erreichten, war unser Neuer schon jenseits von Gut und Böse. Gemeinsam wuchteten wir Klaus in die Küche des Hauses und gönnten ihm den Schlaf. Derweil machten wir es uns im Whirlpool gemütlich, um herauszufinden, wer von uns am längsten die Luft anhalten konnte. Keine Ahnung, wer am Ende siegte. Irgendwann gegen drei wurde es mir zu langweilig und ich stieg aus dem Wasser, um mich ein bisschen umzusehen. In meinem besoffenen Kopf marschierte ich in das nächste Zimmer. Was ich da sah, werde ich nie vergessen: Auf dem Bett lag ein Kerl mit schwarzer Damenstrumpfhose und Stöckelschuhen. Über ihm, breitbeinig, eine der Bezahldamen. Schnell schloss ich die Tür wieder zu. Doch nach wenigen Sekunden dämmerte es mir: Den Typen mit den Stöckelschuhen kannte ich doch! Es war ein bekannter Sportjournalist, der regelmäßig über Werder und insbesondere Otto Rehhagel berichtete, dessen Namen ich an dieser Stelle allerdings verschweigen werde. Ich ging zurück in das Zimmer, machte die Tür auf und brüllte: »Na, du Arschloch!« Man wird sich vorstellen können, wie der Mann reagierte. Klaus holten wir bald wieder aus der Küche ab. Es war Zeit zu gehen. Wir liehen uns seine Kreditkarte, zahlten die Zeche und machten uns vom Acker.
Es wäre natürlich möglich gewesen, den Journalisten mit den Stöckelschuhen auffliegen zu lassen, aber das wollte ich überhaupt nicht. Ich hielt meinen Mund – und wurde dafür entsprechend belohnt. In den folgenden Jahren hatte ich bei diesem Reporter einen ganz dicken Stein im Brett. Egal wie schlecht ich spielte, egal wie oft meine Flanken hinter das Tor segelten, laut den Berichten dieses Mannes war ich stets »einer der besten auf dem Platz«. Danke dafür an dieser Stelle!
Ich habe bereits von meinem übersteigerten Selbstwertgefühl gesprochen. Als amtierender Deutscher Meister lag der Gedanke, einer der besten Fußballer des Landes zu sein, fast nahe. Und noch etwas hatte im Sommer 1988 dafür gesorgt, dass meine Selbstüberschätzung kritische Dimensionen erreichte: Noch während der Europameisterschaft erhielt ich einen Anruf meines Beraters Peter Telek. »Uli«, sagte Peter, »der FC Barcelona hat bei mir angerufen. Die sind an dir interessiert!« Wow, das saß! Johan Cruyff, die holländische Fußballlegende und neuer Trainer von Barca, suchte nach neuen Spielern, angeblich sollte ich einer von ihnen sein. Nun war ich zwar gerade erst nach Bremen gewechselt, aber der Fußballer soll sich bei mir melden, der sich ein Angebot vom FC Barcelona nicht zumindest angehört hätte. Damals hatten die Spanier zwar nicht die Übermannschaft wie heute, ein Weltclub, zumal unter Johan Cruyff, war der Verein aber schon damals. Nach kurzer Absprache mit mir flog Peter nach Barcelona, blieb drei Tage dort und verhandelte mit Barcas Bossen. Als die EM beendet war, hatte ich noch immer keine Entscheidung gefällt, erst im Urlaub auf Mallorca nahm ich mir die Zeit, um gründlich nachzudenken. Mein gutes Spiel gegen Spanien bei der Europameisterschaft hatte Cruyff noch einmal darin bestärkt, mich aus Bremen loszueisen. Doch letztlich sagte ich höflich ab. Erst vor einem Jahr hatte sich Werder, insbesondere Otto Rehhagel, sehr intensiv um meine Dienste bemüht, in Bremen fühlte ich mich wohl, war gerade erst Deutscher Meister geworden – also entschied ich mich für Werder und gegen Barcelona. Ich habe diesen Schritt nie bereut, trotz der Stolpersteine, über die ich in Bremen noch fallen sollte.
Als amtierender Meister schlugen wir uns in der Saison 1988/89 nicht schlecht – am Ende standen wir auf Platz drei, Meister wurden souverän die Bayern. Aber diese Spielzeit zeigte dem Rest von Fußball-Deutschland: Werders Meisterschaft war kein Zufall gewesen, hier hatte sich eine Mannschaft um Otto Rehhagel geschart, die den großen Bayern dauerhaft Paroli bieten konnte.
Noch spektakulärer als die Spiele in der Bundesliga waren unsere Auftritte in den K.-o.-Wettbewerben. Im DFB-Pokal schafften wir über die Stationen HSV und Bayer Leverkusen den Einzug ins Finale und verloren dort völlig unnötig gegen den BVB. Jeder Werder-Fan wird sich mit Schrecken an das Spiel erinnern. Ich war verletzt und musste von der Tribüne aus mit ansehen, wie mein heutiger Golfpartner Norbert Dickel trotz seiner kaputten Knie das Spiel seines Lebens machte
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