Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)
der Gruppe hat Wolfgang ein paar richtige Breitseiten einstecken müssen, über die wir auch in der Gruppe gesprochen haben. Es ging um seine Einstellung und um seine vorlauten Äußerungen. Jeder, der ihm mit guten Ratschlägen helfen will, bekommt richtig Zoff mit ihm. Dabei wollen die meisten doch nur helfen. Ich hoffe, Wolfgang hat daraus gelernt.
12. April 2000
Den Brief an meinen ehemaligen Trainer Otto Rehhagel, um den mich meine Therapeuten gebeten haben, habe ich nun endlich geschrieben. Wollte ich schon lange machen, fand aber keine Worte und hatte nicht das richtige Gefühl dafür. Heute fiel mir das Schreiben sehr leicht. Bin gespannt, ob ich eine Antwort bekomme.
13. April 2000
Heute habe ich meinen Suchtbericht vorgetragen. Ich war eigentlich ganz zufrieden, weil ich gedacht habe, die Suchtgruppe würde mich verstehen. Das war wohl nicht der Fall. Besonders Herr Steffens hat mir Rückfragen gestellt, womit ich nicht gerechnet habe. Ich habe gesagt, dass ich seit ca. 1985 psychisch abhängig bin und später immer einen Grund gefunden habe, um weiter zu saufen: Ärger mit der Frau oder Schwiegermutter oder andere Dinge. Ich weiß, dass ich genug Selbstverantwortung übernehmen muss und selbstkritischer sein muss. Das bin ich auch. Dann sagte ich noch, dass ich jetzt mit meiner Frau ganz gut telefonieren könne, das konnte allerdings auch niemand verstehen. Ich war ja früher immer besoffen, wenn ich angerufen habe. Ich war ehrlich zu mir und das genügt mir im Moment auch. Ich mache die Therapie für mich und denke, ich sollte noch egoistischer sein. Punkt.
14. April 2000
Ich war heute in der Mittagspause bei Herrn Steffens. Vorher hat Frau Kirmes mich auf meinen Ärger wegen des Suchtberichtes angesprochen. Für mich war das gut, dass ich hingegangen bin und mich ausgesprochen habe.
ZWEIFACHES »WUNDER VON DER WESER«
Obwohl ich beileibe kein Asket war und das exzessive Leben eines Fußballmillionärs nicht gerade gemieden habe, entsprachen Prunk und Protz trotzdem nicht meinem Lebensstil, zumal ich nie wirklich Millionär war. Dagegen stand nicht zuletzt auch meine ganz Herkunft. Autos, Uhren, Schmuck – ja, schon, aber alles mehr oder weniger noch im Rahmen. Die Blicke meiner Eltern, wenn ich aus einem glänzenden Ferrari vor ihrer Haustür ausgestiegen wäre, kann sich jeder, der dieses Buch von Anfang an gelesen hat, sicherlich vorstellen. Nein, ich gab mein Geld lieber für andere Dinge aus. Zum Beispiel für einen Kurztrip nach London. Das erste Mal besuchten Carmen und ich die englische Hauptstadt in der Vorweihnachtszeit 1987 und gleich nach den ersten Tagen hatte ich mich in die Stadt verliebt. Bei »Mulberry« kaufte ich mir zwei schöne Anzüge und Patchwork-Krawatten, Carmen kam im Kaufhaus »Harrods« auf ihre Kosten. In den Jahren danach schaute ich immer mal wieder in London vorbei, sah den Buckingham Palace, die Kronjuwelen, den Tower of London – und natürlich auch ein Fußballspiel. Arsenal gegen Tottenham. Die ganze Atmosphäre im Stadion faszinierte mich sofort und auch der damalige Stil englischer Vereinsmannschaften – schnörkelloser, harter, kampfstarker Fußball. Das Leben in London gefiel mir immer besser. Die Doppeldecker-Busse, die typischen Taxen, die Second-hand-Shops, die britische Kultur – kurzum: Ich war hin und weg.
Nach der Europameisterschaft 1988 gönnten Carmen und ich uns einen etwas längeren Urlaub, nach alle dem Stress konnte ich Erholung gut gebrauchen. Viel Zeit war nicht, das Halbfinale gegen Holland war am 21. Juni, gut einen Monat später startete bereits wieder die nächste Bundesligasaison. Immerhin: Für zehn Tage quartierten wir uns im edlen »Hotel Formentor« auf Mallorca ein, schick eingekleidet futterten wir uns durch die Speisekarte, und wenn ich Lust auf eine 50-DM-Flasche Rotwein hatte, dann ließ ich sie mir eben an den Hotelpool bringen. Will sagen: Ich ließ mich komplett gehen. Als ich am ersten Trainingstag am Weserstadion auftauchte, lachten sich meine Mitspieler halbtot, so fett war ich geworden! Mindestens sechs Kilo lag ich schließlich über meinem Kampfgewicht, doch als die obligatorische Frage von Otto Rehhagel kam (»Meine Herren, wie sieht’s mit dem Gewicht aus?«), antwortete ich lässig: »Trainer, ein Kilo zu viel, habe ich in acht Tagen wieder runter!« Das war mal ein Wort! Ich verordnete mir eine Diät der besonderen Art. Der Plan lautete folgendermaßen: Sehr wenig essen, kein Bier, dafür viel Salat
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