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Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)

Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)

Titel: Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Raack
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schmeißen zu wollen! Als Otto die Tür der Kabine öffnete und wir den Gang zum Spielfeld betraten, wirkten wir wie eine Meute hungriger Raubtiere. Bereit zur Fütterung. Selbst Manni Burgsmüller, sonst unser »Mister Cool«, den nichts aus der Ruhe bringen konnte, hatte regelrecht Schaum vor dem Mund. Gemeinsam mit dem wieder genesenen Günter Herrmann hämmerte Manni mit den Fäusten gegen die Kabinentür der Berliner. »Kommt raus, ihr Feiglinge!«, brüllten wir wie von Sinnen. Und als die Ostdeutschen endlich neben uns im Gang standen, konnten wir den Angstschweiß förmlich riechen. Die schissen sich ja fast in die Hose! Neben mir stand mein Gegenspieler aus dem Hinspiel, Frank Pastor. Voller Wucht rammte ich ihm meinen Ellenbogen in die Seite und fauchte ihn an: »Wenn du über die Mittellinie kommst, dann mach ich dich kaputt. Dann wirst du das nicht überleben!« Sprüche unter der Gürtellinie, natürlich. Aber solche Spiele kannst du schon vor dem Anpfiff gewinnen. Und wenn eine Mannschaft in der Bundesliga in diesen Jahren dazu in der Lage war, dann der SV Werder Bremen! Diese Angst in den Gesichtern der Dynamos hatte ich schon einmal kennengelernt. Damals, 1985 in Madrid mit Borussia Mönchegladbach. So mussten wir ausgesehen haben: flackernde Augen, hängende Köpfe, eingezogene Schwänze. Dieses Mal waren die Vorzeichen umgekehrt, meine Mannschaft war es, die Angst und Schrecken verbreitete.
    Wir liefen ins Weserstadion ein, spürten die kühle Luft im Stadion, die Fans auf den Rängen. Europapokal in Bremen! Für solche Abende können Fußballer töten. Ein letztes Mal griff ich mir Günter Ehrke, den Zeugwart. »Alles gut?« Günter hob den Daumen. Alles gut.
    Halbzeit. Michael Kutzop hatte uns mit 1:0 in Führung gebracht, das war natürlich viel zu wenig für unsere Bemühungen. Otto sprach, ruhig wie immer, wir hörten zu und dachten an die zweite Halbzeit. Ich dachte an meine Frau. »Günter, alles gut?« Wieder ging der Daumen nach oben. Alles gut.
    Und dann folgte das, was in Worten nur schwer zu beschreiben ist. 2:0, 3:0, 4:0. Endstand nach 90 Minuten: 5:0! Wir rissen die Berliner förmlich in Stücke, das Weserstadion kochte und zischte und wenn es Wunder im Fußball gibt, dann hatten wir soeben eines vollbracht. Zeit für lange Ehrenrunden hatte ich natürlich nicht. Meine Frau. Unser Kind! »Günter, wie sieht’s aus?« Und endlich sagte mir Günter die Wahrheit. »Tut mir leid, Uli, ich kann deine Frau seit zwei Stunden nicht mehr erreichen!« Ach du Scheiße! Völlig aufgelöst irrte ich durch den Kabinentrakt, während draußen die Menge immer noch tobte. Wolfgang Barkhausen, damals Geschäftsführer, fing mich ein. »Uli, was ist denn los?« »Herr Barkhausen, ich muss hier weg, ich werde Vater!« »Uli, in diesem Stadion sind 40000 Menschen, die sich in den nächsten Minuten auf den Heimweg machen werden! So schnell kommst du hier nicht raus!« Verzweifelt sah ich ihn an. Barkhausen schlug mir auf die Schulter: »Geh duschen, Junge, ich lass mir was einfallen.« Ich sprang unter die Dusche, griff mir meine Sachen und war wieder zurück. Barkhausen, der Teufelskerl, hatte sich tatsächlich etwas einfallen lassen: Zwei Polizisten packten mich in ihren Streifenwagen, schmissen die Sirene an und rasten quer über den Osterdeich in Richtung DIAKO-Krankenhaus in Bremen-Gröpelingen, dort, wo meine Frau wahrscheinlich schon unser Baby in den Armen hielt! Kurze Zeit später hielt mein Sondertaxi mit quietschenden Reifen vor dem Krankenhaus, mit zitternden Knien sprintete ich zum Kreißsaal, die letzten Meter, dann würde ich … »Stopp!« Eine Krankenschwester schnitt mir den Weg ab. »Ich … mein Kind … Borowka …«, keuchte ich. Behutsam nahm mich die Dame mit in einen Aufenthaltsraum und erklärte mir, dass alles in bester Ordnung sei und sich das Baby noch etwas Zeit lasse. Gott sei Dank, ich war nicht zu spät! Die freundlichen Schwestern und Krankenpfleger schmierten mir ein paar Brote und machten mir Tee, bald tauchten auch, ganz zufällig, ein paar Ärzte auf. Das ganze Krankenhaus hatte unser Spiel am Radio mitverfolgt. Jetzt wollte mir die Belegschaft natürlich persönlich gratulieren. Endlich konnte ich zu meiner Frau.
    Am 12. Oktober 1988 um 3:13 Uhr kam sie zur Welt, unsere Tochter Irina. Nur wenige Stunden nach dem zweiten »Wunder von der Weser« hatte ich ein kleines Bündel Mensch auf dem Arm und war mir sicher: Das wahre Wunder erlebte ich erst jetzt. Was

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