Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)
für ein Tag! Erst dieses Spiel gegen den BFC Dynamo, jetzt die Geburt unserer Tochter. Mit verheulten Augen durchschnitt ich die Nabelschnur. Ich war Vater! Schöne und verrückte Welt.
Wie nichtig sind in solchen Momenten verkorkste Europameisterschaften, konkurrierende Kollegen oder der nächste Gegner! Ja, ich genoss die Tage als junger Vater ausgiebig. Ich wollte meiner Tochter ein guter Papa sein. Ich wollte mein Kind so gut auf die Welt vorbereiten, wie es meine Eltern auch mit mir geschafft hatten. Jahre später musste ich mir eingestehen, dass ich auf ganzer Linie gescheitert war. Doch das war damals, im Oktober 1988, alles noch ganz weit weg. Jetzt war die kleine Irina da, und wenn ich vom Training oder von Spielen nach Hause kam, dann wartete da meine kleine Familie auf mich. Ein schönes Gefühl.
Durch den Triumph gegen den BFC gestärkt, gingen wir mit breiter Brust in das nächste Spiel im Europapokal. Gegen die Schotten von Celtic Glasgow reichte ein Tor von Thomas Wolter im Hinspiel, um ins Viertelfinale einzuziehen. In zweimal 90 Minuten hatten wir gegen Celtic kein Gegentor zugelassen.
Nun also der AC Mailand. Mit Spielern wie Ruud Gullit, Roberto Donadoni, Paolo Maldini, Franco Baresi, Frank Rijkaard oder Marco van Basten verfügten die Mailänder über eine wahre Weltauswahl. Europa setzte keinen Pfifferling auf uns, Mailand war der klare Favorit. Doch im Hinspiel in Bremen boten wir eine fantastische Leistung, die uns international große Anerkennung einbrachte. Das 0:0 war eine anständige Grundlage, um in Italien vielleicht die nächste Sensation zu vollbringen.
Es war so ungerecht! Fußball kann so ein Scheißspiel sein. Eine lächerliche Szene, ein Aussetzer von Schiedsrichter Georg Smith, sorgte dafür, dass wir mit 0:1 aus dem Wettbewerb flogen. Das Ganze passierte nach 33 Minuten: Eine weite Flanke von links flog in unseren Strafraum, van Basten versuchte den Ball volley zu treffen, Gunnar Sauer drehte sich instinktiv zur Seite, van Basten verfehlte den Ball, traf stattdessen Gunnars Hüfte – und fiel um. Ein Pfiff. Freistoß für Werder. Dachten wir. Stattdessen zeigte dieser Wahnsinnige mit der Pfeife in der Hand auf den Elfmeterpunkt! Das konnte nur ein Witz sein, eine fiese Inszenierung von »Verstehen Sie Spaß?«. Doch Paola und Kurt Felix ließen sich nirgendwo blicken. Humorlos schnappte sich van Basten den Ball und ließ Oliver Reck keine Chance. Das Tor war gefallen und dem AC Mailand war es selbstverständlich vollkommen gleich, wie der Treffer zu Stande gekommen war. Mehr als eine Stunde rannten wir anschließend vergeblich auf das gegnerische Tor, doch die abgezockten Italiener brachten die Führung souverän über die Zeit.
Ich fühlte mich leer, als hätte mir einer die Luft aus der Lunge gepresst. Das Ganze war ein großer Beschiss, nichts weiter! Wir alle dachten damals so. Und es machte die Sache nicht besser, als wir erfuhren, dass diese Partie das allerletzte Spiel von Mister Smith aus Schottland gewesen war. Wilde Spekulationen und Betrugsvorwürfe flogen durch den Raum, besser machte es die Sache nicht: Wir waren raus. Immerhin mit Applaus. Und zu Hause wartete ja ein kleiner Wurm auf mich, dem mein verletzter Fußballerstolz herzlich egal war.
»ICH BRECH DIR GLEICH BEIDE BEINE«
Mein Image als Rüpel der Nation
Die Umfragebögen flatterten alle sechs Monate in meinen Briefkasten. Der kicker suchte halbjährlich nicht nur nach den besten Torhütern und Abwehrspielern, den kreativsten Mittelfeldspielern und treffsichersten Stürmern, sondern auch nach dem »unbeliebtesten Spieler der Bundesliga«. Jeder Profi in der Liga bekam diese Fragebögen zugeschickt. Und wer hatte die Ehre, den Titel des »Bad Boy« gleich mehrfach zu gewinnen? Natürlich ich. Machen wir uns nichts vor: Das Image des brutalen Treters, der mit allen legalen und illegalen Mitteln seine Gegenspieler ausschalten wollte, habe ich bis heute weg. Ich habe ja auch einiges dafür getan, nicht als der Sonnenschein des deutschen Fußballs durchzugehen. Zeit, mich an dieser Stelle ein wenig mit meinem Image zu befassen.
Beginnen wir mit der berühmten Auseinandersetzung mit Olaf Thon. Thon machte 1984 eines seiner ersten Spiele für Schalke, ein blutjunges Talent, noch längst nicht so ausgekocht wie in den späteren Jahren seiner Karriere. Aber schon gut genug, um meiner Mannschaft Schaden zuzufügen. Also zog ich meine Psychonummer durch. Schon beim Aufwärmen starrte ich ihn die ganze Zeit
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