Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)
württembergisch. Ärgert es Sie, als Schwabe für einen Badener gehalten zu werden?
So kleine Grenzen habe ich nicht. Wir haben heute eine weltumspannende Küche. Unsere Gäste akzeptieren heute Geschmacksrichtungen aus Asien oder woher auch immer. Ich benutze jetzt einmal das abgedroschene Wort: Die Küchen sind multikulturell geworden. Weil die Gäste Dinge akzeptieren, die wir vor 30, 40 Jahren in der Ausbildung noch gar nicht gekannt haben. Frischen Ingwer, Zitronengras, Kaffir-Limetten. Selbst Paprika oder Auberginen waren in meinem Lehrbetrieb noch Exoten. Was heute gang und gäbe ist, war damals in den Küchen hier noch nicht zu Hause.
Die schwäbische Küche gilt eher als rustikal, nicht unbedingt als »fein«.
Die deutsche Küche insgesamt war international gesehen lange nicht im Fokus. Das liegt sicher auch an unserer Geschichte – Deutschland war immer, bis tief ins letzte Jahrhundert hinein, ein krisengeschütteltes Land. Den Menschen ging es nicht gut. Da konnte sich im Bürgertum keine feine Küche etablieren. Gerade die schwäbische Küche ist ja ungemein clever – da wird alles verwertet.
Die Gegend um Calw, dort wo Sie aufgewachsen sind, ist ja eine Hochburg des Pietismus. Für Pietisten ist Genuss eine Sünde und ihr Paradies liegt im Jenseits. Sie aber schaffen jeden Tag so etwas wie ein Paradies auf Erden – ist das nicht gotteslästerlich?
Ich bin Genussmensch – kein Pietist! Das müssen Sie trennen. Ich gebe mich den Genüssen hin.
Das ist nicht unbedingt schwäbisch! Für viele ist das ein Widerspruch – Genuss und Schwabe geht für viele nicht zusammen.
Ich bin in einer Zeit und an einem Ort aufgewachsen, da war es vorprogrammiert, dass man Genussmensch wird. Und dass man sich den Genüssen hingeben darf. Das war früher sicher oft anders.
Mussten Sie denn die typisch schwäbischen Eigenschaften ablegen?
Es gibt den schwäbischen Genießer durchaus! Früher hat der seine Vorlieben vielleicht nicht vor der Haustüre gepflegt.
Da sind die Schwaben fortgefahren, damit man sie nicht sieht. Davon profitieren wir ja: dass sie hierher kommen, weil sie vor der eigenen Haustüre nicht gesehen werden wollen. Aber das Vorurteil kann ich widerlegen: Schwaben sind manchmal vielleicht ein wenig kompliziert. Aber sie sind schon auch Genießer!
Ich erinnere mich an die 50er-, 60er-Jahre, da gehörte es sich noch nicht, in ein Restaurant zum Essen zu gehen. Man wollte nicht gesehen werden.
Schwaben sind schaffig. Sie sind fleißig. Und sie verdienen Geld. Wenn Sie das Geld aber nur stapeln, was haben Sie dann davon? Und die, die zu uns kommen, sind weltoffene Menschen. Je mehr man rauskommt, je mehr man andere Kulturen kennenlernt, desto mehr akzeptiert man die auch. Und erkennt, dass auf der Welt viele wunderbare Dinge passieren. Bevor ich in Chile war, wäre ich niemals auf die Idee gekommen, chilenischen Wein zu kaufen. Aber nachdem ich gesehen habe, wie sich da die Weinwirtschaft kultiviert hat – da ist man gut beraten, wenn man diese Weine in seinen Weinkeller mit einbaut. Da gibt es einfach Hervorragendes – zu einem ganz vernünftigen Preis-Leistungs-Verhältnis.
Gibt es denn auch gute schwäbische Weine?
Im Weißweinbereich finden wir sogar sehr gute schwäbische Weine.
Es gibt den Mythos vom Trollinger.
Das ist halt die heimische Rebsorte. Und deshalb beliebt bei den Einheimischen.
Halten Sie den für einen guten Wein?
Wenn er gut gemacht ist …
Das klingt etwas knapp …
Darf ich Ihnen erklären, was ein guter Wein ist?
Klar.
Ein guter Wein ist, wenn Sie das Glas nehmen, Sie schauen ihn an und er ist klar. Sie riechen daran – er riecht sauber. Sie probieren ihn – er gibt Ihnen etwas im Mund. Und wenn Ihnen diese Verkostung gut getan hat, dann ist es ein guter Wein. Egal, was er kostet und woher er kommt.
Sie sind kein Status-Trinker?
Alles andere sind Spitzfindigkeiten. Die Typizität eines Weines macht die Region aus, macht die Rebsorte aus, macht die Bodenbeschaffenheit aus. Ein Riesling in Baden ist ein anderer Riesling als der im Rheingau oder der an der Mosel. Dann stellt sich die Frage: Wie ist er ausgebaut? Ist er trocken ausgebaut oder hat er eine Restsüße? Auch die Vinifikation spielt eine Rolle – welcher Winzer hat welchen Wein gemacht?
Aber beim Trollinger haben Sie schon etwas gezögert?
Ich bin nicht so erfahren im Trollinger trinken. Irgendwie fließen mir in der Regel eher andere Weine zu. Aber ich weiß, dass es auch hervorragende
Weitere Kostenlose Bücher