Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)
Vincent Klink. Wir haben mit dem Vincent schon g’schwätzt. Der macht das.«
Der Fernsehkoch von dem Sternerestaurant »Wielandshöhe«.
Dann hat der Schwerzmann einen brillanten Brief geschrieben – an 400 Adressen. Daraufhin haben sich 50 Leute angemeldet – 8 Mark für den Kellner, 80 Mark für den Vincent und 800 Mark für den Schlauch. 888 Mark.
Unser Essen brachte 50000 Mark. Das war der Durchbruch dafür, dass ich dann in der Folge so viele Spenden erhalten habe. Mein Gegenkandidat, der Schuster von der CDU, hatte schwäbischer geworben: »Unser Kandidat isst Maultaschen mit dem Bürger!«
(Beide lachen.)
Sie behaupten, dass der Schwabe sich verändert hat? Genießen ist keine Sünde mehr?
Nach der Bürgermeisterwahl 1996 kam der Wahlkampfmanager vom Schuster zu mir und sagte, sie hätten sich granatenmäßig getäuscht. Fast wäre ihre Schuster-Kampagne ins Auge gegangen. Sie hätten mich als den barocken Genussmenschen diskreditieren wollen, hätten dann aber gemerkt, dass der Schwabe sich offensichtlich verändert hat: Der feiert jetzt auch gerne.
Eine spannende Geschichte.
Das war schon 1996 so. Die Schwaben werden urbaner und sie werden …
Hohenlohischer?
Auch polyglotter. Es hat sich viel getan. Man muss ja sehen: 1996 bei der Bürgermeisterwahl hatte ich knapp 40 Prozent!
Genau 39,3 Prozent.
Als Grüner in einer schwäbischen Autostadt! Und noch etwas hat sich verändert: Ich war zwei Monate nach der Landtagswahl 2011 bei einer Wirtschaftsrunde eingeladen. Lauter Weltmarktführer. Die haben gesagt: »Herr Schlauch, wir sind so froh, dass es der andere nicht geworden ist!« Alles harte CDUler, teilweise hochrangige Parteileute. »Ihr braucht mir jetzt keinen Honig ums Maul schmieren«, habe ich ihnen geantwortet. »Nur weil wir jetzt mal einen grünen Ministerpräsidenten haben.« Aber die meinten das ernst! »Wenn wir unseren Betrieb so führen würden wie der Mappus«, sagten sie, »dann würden wir nicht weit kommen!« Die Leute mögen keine Konfrontation. Sie sagen: »Wenn es drauf ankommt, muss man Farbe bekennen.« Aber Konfrontation um der Konfrontation willen – das lehnen sie ab. Es ist richtig, dass Fukushima und Stuttgart 21 bei der letzten Wahl eine bedeutende Rolle gespielt haben. Hauptgrund für den grünen Wahlerfolg war aber: Die Leute wollten den Mappus nicht.
Wenn man sich mit Menschen in Stuttgart unterhält, hört man immer wieder die These, dass dieses obrigkeitsstaatliche Denken, das noch in den schwäbischen Köpfen drin war, mit Stuttgart 21 verschwunden ist.
Da gab es auch schon Vorläufer. Zum Beispiel Boxberg. 4 Boxberg war von der Zusammensetzung der Protestleute, die das getragen haben, auch eine konservative Kiste. Und ging mindestens genauso scharf gegen die Obrigkeit. Das ging damals gegen den Späth.
Das waren keine Schwaben.
Das waren Franken!
Ausgerechnet der Stuttgarter aber als »Wutbürger« – das hätte ich mir vor 30 Jahren nie vorstellen können!
Ich kann Ihnen das erklären. Ich bin vorgestern extra in den Keller gestiegen – ich wollte nachschauen, ob mich meine Erinnerung nicht täuscht. Und es stimmt: Schon 1996 war das Hauptthema bei der Bürgermeisterwahl Stuttgart 21!
Schon damals?
In allen Berichterstattungen zum damaligen Wahlkampf war Stuttgart 21 das Topthema! Und das zentrale Motiv, das alle Berichte durchzog, war: Das ist einfach völlig überdimensioniert!
Also nicht zu teuer, sondern überdimensioniert?
Überdimensioniert! Das passt zu uns Schwaben nicht! Das ist einfach gesponnen!
Gesponnen?
Wir sind nicht New York und nicht London! Wir sind Schwaben! Das war damals so! Dieses Thema war damals das entscheidende Thema – und deswegen habe ich schon damals die Stimmen aus dem konservativen Lager bekommen. Weil die gesagt haben: »Des wellet mir auf gar koin Fall!« 5
Schwäbische Bescheidenheit und schwäbischer Konservativismus. Sie sind eigentlich auch ein Konservativer – als Student waren Sie in einer »schlagenden Verbindung«?
Ich bin nicht konservativ. Aber ich war als Student in einer schlagenden Verbindung. In Freiburg 1968 – das ist richtig.
In einer »schlagenden Verbindung« war ich übrigens auch.
Echt?
Tübingen 1958 – aber ich bin ausgestiegen!
Ich natürlich auch!
Ich bin nach zwei Partien ausgestiegen.
Ich habe meine fünf geschlagen.
Haben Sie eine abgekriegt?
Nie!
Sie waren halt schon damals gut im Austeilen?
Die haben alle gekniffen. Wir waren zum damaligen Zeitpunkt ein relativ
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