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Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)

Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)

Titel: Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Kienzle
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Joschka Fischer. »Du musst sofort rüber zum Alten!« – »Schau mal auf die Uhr!«, hab ich ihm gesagt. Darauf fragte er mich: »Hast du nicht den Metzger in den »Tagesthemen« gesehen?«
    Es war immer so: Wenn es kritisch wurde, musste ich die Kohlen aus dem Feuer holen. Wenn die Emo-Schiene 9 lief, war ich dran. Die beiden Chefs durften nicht gegeneinander auflaufen. Also bin ich nachts um eins ins Kanzleramt. Ganz cool hat mich der Schröder begrüßt: »Ich habe einen Journalisten gebrieft, der wird morgen den Regierungssprecher fragen, ob diese Aussage von Metzger ein Koalitionsfall sei. Und dann wird mein Regierungssprecher ›Ja!‹ sagen.«
    Das hätte das Ende der rot-grünen Koalition bedeutet! »Lass uns erst mal ein Glas Rotwein trinken!«, habe ich versucht, ihn zu beruhigen. Dann haben wir zwei Stunden lang geredet: »Das kann auch gegen dich gehen!«, habe ich ihm gesagt. »Das ist nicht sehr souverän. Lass doch den Metzger! Du weißt doch, dass der ein Terrier ist, der immer ein bisschen kläfft! Du musst doch nicht auf jeden Kläffer reagieren.
Wollen wir nicht morgen zusammen frühstücken? Vor der Bundespressekonferenz!« Am nächsten Morgen bekam ich dann einen Anruf vom Kanzler: »Wir haben es eingesammelt.«
    Baden-Württemberg als Hochburg der Liberalen und Sie als Dahrendorf-Fan – warum sind Sie nicht zur FDP gegangen?
    Da gab es nichts, was mich gepfupfert 10 hätte. Ich bin nicht in eine Partei gegangen, um Karriere zu machen.
    Sondern?
    Ich bin 1975 hier Rechtsanwalt geworden. Ich hatte eine gut gehende Anwaltskanzlei. Ich war damals getrieben davon, dass das, was ich als Anwalt gemacht habe, die sozialen und ökologischen Themen, dass ich die sozusagen vom individuellen Fall weghole, auf eine breitere Ebene stelle. Das war meine Motivation.
    Und jetzt will ich Ihnen noch was sagen – von wegen Karriere: Ich wollte immer hier im Land bleiben! Ich war eigentlich jemand wie der Kretschmann – auch weil ich in dieser Kombination meinen Beruf ideal weitermachen konnte. Ich war in den ganzen zehn Jahren als Landtagsabgeordneter immer aktiver Rechtsanwalt.
    Irgendwann aber hat dann Joschka Fischer seinen Ministeranzug in Hessen ausgezogen und sein Amt als hessischer Umweltminister niedergelegt. Er war der Meinung, die Grünen müssten es nochmal versuchen, in den Bundestag zu kommen. »Es bedarf der grünen Kraft auch auf Bundesebene.« Nur deshalb bin dann in die Bundespolitik gegangen. 11
    Hat Joschka Fischer denn einen Bezug zu dem Land, in dem er aufgewachsen ist?
    Ganz eng.
    Schwätzt Fischer schwäbisch?
    Kann er! Er ist ja in Oeffingen bei Stuttgart aufgewachsen. Seine Eltern waren Flüchtlinge, Donauschwaben, katholisch. Sein Vater hatte ursprünglich eine Metzgerei in Langenburg im Hohenlohischen. Weil er aber Katholik war, ist er in Langenburg nicht hochgekommen. Hohenlohe ist protestantisch, da ist man damals noch zum protestantischen Metzger gegangen. Als der Joschka sieben war, ist die Familie Fischer deshalb nach Oeffingen bei Stuttgart gezogen. Dort in Stuttgart hat sich der alte Fischer im Schlachthof buchstäblich zu Tode geschuftet. In unserer Kindheit haben wir im Hohenlohischen nur drei Kilometer voneinander entfernt gelebt – und wir hatten die gleiche Hebamme. Im Oberamtskrankenhaus Gerabronn.
    Joschka Fischer hat seine politische Karriere mit einem schwäbischen Schlüsselwort begonnen.
    Arschloch!
    In einer Bundestagsdebatte hatte er zu Bundestagspräsident Stücklen gesagt: »Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch!«
    Der Jurist sagt, »Arschloch« sei eine Formalbeleidigung. Aber im Schwäbischen nicht.
    War der Fischer damals ein Arschloch?
    Persönlich konnte er ein Arschloch sein. Aber trotzdem eins, dem man immer alles vergeben hat! Der hat bei uns immer die ausführlichsten Wahlkampftouren gemacht als hessischer Umweltminister. Nach Baden-Württemberg ist er immer gern gekommen. Aber er hatte eine Bedingung: Wir mussten ihm zum Abschied mindestens ein Kilo Maultaschen mitgeben, wenn nicht sogar zwei. Das war seine Bedingung. Zum Schluss jedes Besuchs hat er also immer ein Päckchen Maultaschen gekriegt – dann ist er wieder glücklich nach Hessen abgedampft.
    Wenn der Joschka im Hohenlohischen ist, da wird der weich und sentimental bis zum Gehtnichtmehr – bei dem harten Hund, der er sonst ist, schon erstaunlich.
    Bei seiner letzten Wahl hat er sein Sommer-Interview als grüner Spitzenkandidat auf der Wehrweide an der Mosesmühle gemacht

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