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Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)

Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)

Titel: Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Kienzle
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vom Menschen, das unterscheidet sich von einem liberalen Menschenbild. Oder auch von einem sozialistischen oder kapitalistischen Menschenbild.
    Aber das verschwimmt doch heute alles!
    Die Frage nach dem Humanum in der Politik, nach der Gerechtigkeit, nach der Solidarität – das verschwimmt nicht! Die CDU ist ja keine konservative Partei, und auch keine liberale Partei. Die CDU ist, außerhalb der alten Kategorien, eine Partei neuen Typs. Ich sage immer: »Wir sind christliche Demokraten.« Aber keine Konservativen! Gerhard Schröder hatte das schon kapiert. Er hatte die CDU im Bundestag immer mit »die Konservativen« angeredet. Er wollte uns auf das Niveau der Tories in England reduzieren. Das versuchen auch einige Verirrte bei uns in der CDU bis heute immer wieder. Aber das ist nicht die Gründungsperspektive der CDU!
    Wer in der CDU versucht das zum Beispiel?
    Das war zum Beispiel Friedrich Merz. Und es sind die Wirtschaftsliberalen wie der nicht mehr ganz ernst zu nehmende Josef Schlarmann. 19 Er vertritt mit Sicherheit nicht die Mehrheit der Mittelständler in Deutschland. Und es sind leider auch einige aus der Führungsgruppe der Jungen Union.
    Sind denn heute die verschiedenen gesellschaftlichen Interessen in einer Volkspartei noch organisierbar?
    Man muss nicht die Interessen organisieren, sondern auf einen Nenner bringen.
    Und dennoch ist es schwierig, die Konservativen zu integrieren?
    Einige haben noch bestimmte Vorstellungen von der Ehe und von der Familie.
    Sind diese Vorstellungen denn falsch?
    Diese alte Rollenverteilung zwischen Mann und Frau funktioniert heute nicht mehr. Wir müssen die conditio humana 20 berücksichtigen – so wie sich die Dinge entwickelt haben.
    Ist das politisch nicht opportunistisch?
    Politik muss sich nach den Menschen richten. Die Politik muss den Menschen dienen. Und die wirtschaftliche Lage der Menschen sieht heute eben so aus, dass beide Eltern Geld verdienen müssen. Familien muss es aber trotzdem geben. Und deshalb muss die Gesellschaft dafür sorgen, dass das organisierbar ist. Ich habe als Sozialminister in Rheinland-Pfalz das erste Kindergartengesetz geschaffen – schon im Jahr 1970!
    Ihr Image hat sich in den letzten Jahrzehnten ja dramatisch gewandelt. Heute sind Sie »Attac«-Mitglied. 21 In Ihrer Zeit als CDU-Generalsekretär hat Willy Brandt Sie noch als den »schlimmsten Hetzer« seit Goebbels bezeichnet.
    Willy Brandt. Wenn es einen Himmel gibt – das weiß man ja nicht so genau – und er ist drin, dann muss er das tief bereuen.
    Es ist doch unbestritten, dass Sie damals ein sehr schlechtes Image hatten. Wie haben Sie das weggekriegt?
    Aber nicht bei der Mehrheit der Leute. Die Sozialdemokraten und Grünen lagen einfach inhaltlich falsch in den 1980er-Jahren. Egon Bahr zum Beispiel sagte, der Friede sei der oberste Grundwert. Aber der Friede ist überhaupt kein Grundwert. Der Friede ist ein politischer Zustand, der dann eintritt, wenn die wirklichen Grundwerte realisiert sind: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Wenn ein Land nicht frei ist, dann gibt es auch keinen Frieden. Sondern Kirchhofsfrieden. Die haben einfach falsch gedacht.
    Sie meinen, die anderen haben sich verändert – nicht Sie?
    Ich habe mich in den Prinzipien, was Menschenrechte anbelangt, nicht verändert. Ich habe in der eigenen Partei den größten Krach gehabt wegen der Menschenrechtsverletzungen in Chile und in Südafrika. Zusammen mit Norbert Blüm bin ich dort hingefahren als Bundesminister. Strauß hat getobt. Damals habe ich gesagt: »Wir sind nicht auf einem Auge blind. Wir sind für die Menschenrechte in der Sowjetunion und in der DDR – aber genauso sind wir für die Menschenrechte in Lateinamerika.«
    Nach Stuttgart wurden Sie im Bahnhofsstreit als Schlichter berufen. Waren Sie überrascht?
    Ich hätte es zunächst mal nicht für möglich gehalten. Ich bin ja auch nicht von der CDU vorgeschlagen worden, sondern von den Grünen.
    Nur haben die Grünen ein anderes Ergebnis erwartet. Sie schreiben in Ihrem Buch, Ihr Faktencheck habe dazu geführt, dass nach der Schlichtung 60 Prozent der Bevölkerung für den neuen Bahnhof waren. Vorher waren es nur 25 Prozent. Haben sich die Grünen da verrechnet?
    Durch den Faktencheck wurden diese Denkblockaden aufgelöst. Alle kamen endlich an einen Tisch. Das war fast das Schwierigste. Es war alles verhärtet. Beide Seiten konnten gar nicht mehr richtig denken! Da ging es nur noch um Sieg oder Niederlage. Fast um Leben und Tod. Ich

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