Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)
ist, liegt dort.
Sie wollen dort auch beerdigt werden?
Ich glaube nicht. Ich bin auch Pfälzer. Ich wohne jetzt seit einem Vierteljahrhundert in Gleisweiler.
Würden Sie die Pfalz heute als Ihre Heimat bezeichnen?
Ja, eindeutig. Ich habe jetzt eine neue Heimat: die Pfalz. Das Neckartal auch. Südtirol gehört auch ein bisschen dazu. Wissen Sie, was das ist?
(Er zeigt auf ein Abzeichen an seinem Revers.)
Das ist das goldene Parteiabzeichen der Südtiroler Volkspartei. Ein Edelweiß. Ich bin wahrscheinlich der einzige Ausländer, der dieses goldene Parteiabzeichen hat. Für meine unermüdlichen Verdienste um die Freiheit der Südtiroler.
(Beide lachen.)
Ich verstehe Heimat im historischen, europäischen Kontext. Verstehen Sie: Wenn ich bei mir zu Hause in der Pfalz zwischen Hainfeld, Gleisweiler und Edenkoben am Straßenrand stehe, dann sehe ich im Nordwesten das Hambacher Schloss, die Wiege der bürgerlichen Revolution. Im Nordosten sehe ich die Türme des Speyerer Doms, wo acht deutsche Kaiser begraben sind und zehn deutsche Könige mit Kaiserinnen und Königinnen. Und im Südwesten die Burg Trifels, in der Zeit der Staufer, die Schwaben waren, die Reichsfeste, wo die Reichskleinodien 23 aufbewahrt worden waren – die heute in der Schatzkammer der Wiener Hofburg liegen, weil sie da auch hingehören! Allein diese drei Monumente haben mit der deutschen Geschichte tausendmal mehr zu tun als das dümmste Monument, das in Deutschland herumsteht, mitten in dieser Reichshauptstadt: die Siegessäule. 24 Da sind die Kanonenrohre eingelassen, mit denen die Preußen auf die Württemberger, auf die Badener, die Hessen, die Franzosen und die Österreicher geschossen haben.
Der Hitler hat sie ja für seinen städtebaulichen Wahn versetzen lassen. 25 Die könnte man gut wieder versetzen!
Man kann manchmal am Schicksal verzweifeln. Die Amerikaner und die Engländer haben in Berlin alles zerbombt. Aber die Siegessäule haben sie stehen lassen.
1 Schwäbisch für: »Kleine Krüge quellen schnell über!«
2 Schwäbisch für: eine Frau, die in der Öffentlichkeit freundlich wirkt, zu Hause aber tyrannisch sein kann
3 Schwäbisch für: eine im ehelichen Bereich streitbare Frau
4 Liebevolles, schwäbisches Kosewort für Kätzchen
5 »Warum soll ich eine hässliche Frau heiraten? Eine Schöne isst auch nicht mehr!«
6 Tübinger Weinbauern, die früher in einer leidenschaftlichen Dauerfehde mit Studenten und Professoren standen
7 »So. Schont man den Verdauungstrakt?«
8 In der Schlacht bei Königgrätz trafen am 3. Juli 1866 die Truppen Preußens auf die Armeen Österreichs und Sachsens. Durch den Sieg in dieser kriegsentscheidenden Schlacht wurde Preußen Führungsmacht in Deutschland. Auf Seiten Österreichs standen u. a. die deutschen Mittelstaaten mit Bayern, Hannover, Sachsen, Württemberg, Baden.
9 Das Zündnadelgewehr konnte im Vergleich zu den bis dahin gebräuchlichen Vorderladern nicht nur wesentlich schneller, sondern auch im Liegen, also in Deckung, nachgeladen werden.
10 Ein in der Frankfurter Nationalversammlung von 1848 verabschiedetes Modell für die Vereinigung der Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes unter Führung des Königs von Preußen und unter Ausschluss des Kaiserreiches Österreich. Es stand im Gegensatz zur Großdeutschen Lösung, welche den überwiegenden Teil des deutschen Sprachraums vorsah und die deutschsprachige Bevölkerung des Habsburgerreichs einschloss.
11 Deutsches Kaiserreich ist die Bezeichnung für das Deutsche Reich zwischen 1871 und 1918. Während dieses Zeitraums war der deutsche Nationalstaat eine bundesstaatlich organisierte, konstitutionelle Monarchie.
12 Schwäbisch für: schon ein wenig
13 Schwäbisch für: Karneval
14 Hans Karl Filbinger war von 1966 bis 1978 Ministerpräsident Baden-Württembergs. 1978 wurden vier Todesurteile bekannt, die Filbinger, ehemals NSDAP-Mitglied, als Marinerichter 1943 und 1945 beantragt oder gefällt hatte. Am 7. August 1978 trat er als Ministerpräsident zurück.
15 Eduard Adorno war von 1961 bis 1972 für die CDU Mitglied des Deutschen Bundestages und von 1972 bis 1980 Minister für Bundesangelegenheiten des Landes Baden-Württemberg.
16 Eugen Karl Albrecht Gerstenmaier war von 1954 bis 1969 mit einer Amtszeit von über 14 Jahren der am längsten amtierende Bundestagspräsident.
17 Hansjörg Häfele war von 1965 bis 1990 Mitglied des Deutschen Bundestages und von 1982 bis 1989 Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der
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