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Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)

Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)

Titel: Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Kienzle
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übrigens auch in der Politik geholfen, weil es einige Redensarten im Schwäbischen gibt, die man in der politischen Diskussion gut gebrauchen kann.
    Zum Beispiel?
    Es gibt schwäbische Sprichwörter, die kann man nur gegenüber Schwaben verwenden. Ich habe einmal zu einer Kollegin, die sich in einer politischen Auseinandersetzung furchtbar aufgeregt hat, gesagt: »Vorsicht! Kleine Häfele laufed bald über!« 1
    Das war fies! (Er lacht.)
    Ich habe öfters schwäbische Sprichwörter in der politischen Auseinandersetzung verwendet, weil die sehr treffend sind. Aber letztendlich doch nicht verletzen.
    Nicht verletzen? Schwäbisch kann doch auch sehr brutal sein!
    Es wird aber durch den Dialekt abgemildert. Manchmal, da haben Sie schon recht, wird es durch den Dialekt aber auch verschärft. Was mich immer gestört hat: Die männlichen Schwaben haben eigentlich ein weitgehend gestörtes Verhältnis zum anderen Geschlecht. Die behandeln ihre Frauen manchmal – also das geht so nicht …
    Sie meinen Ausdrücke wie »mei Alde«?
    Die Frau mutiert ja im allgemeinen Sprachgebrauch des Schwaben – am Ende ist die Ehefrau entweder »en Gassa-Engel« 2 oder »en Hausdeifel«. 3 Der Schwabe steht auf dem Standpunkt: »Vor der Hochzeit sagt man Mulle 4 und nach der Hochzeit sagt man Katz!« Dazu passt auch das Sprichwort: »Warum soll i a wüschts Weib heirate? A Schöne frisst au ned meh!« 5 Die Schwaben haben es immer ein bisschen mit der Ernährung.
    Die Schwaben haben es auch mit dem Analen. In den »Gôgen-Witzen« 6 zum Beispiel.
    Oh ja! »So. Dut m’r ’s Arschloch schona?« 7 , hat der Gôg g’sagt, als er dem Studenten begegnet ist, der sich auf der Neckarbrücke übergeben hat.
(Beide lachen herzhaft.)
Das ist kein Witz – das ist tatsächlich so passiert!
    Also ich merke: Sie sind schon noch im Schwäbischen drin.
    Das ist klar. Aber politisch gesehen war ich nie ein Württemberger! Ich bin Vorderösterreicher.
    Sie sind in Oberndorf geboren. Oberndorf ist doch Württemberg!
    Oberndorf war vorderösterreichisch! Und im Reichsdeputationshauptschluss …
    1803 …
    … ist das ganze Gebiet Vorderösterreichs, samt Klöstern und Reichsstädten, von Napoleon an die damaligen südwestdeutschen Fürsten verteilt worden. Der damalige Markgraf von Baden wurde Großherzog, der Herzog von Württemberg wurde König und der bayerische Herzog wurde auch König.
    Und das bayerische Schwaben kam zu Bayern.
    Das heißt also: Die wurden befördert durch Landraub! Anders kann man das nicht bezeichnen. Beförderung mithilfe der Besatzungsmacht. So ist das Königreich Württemberg entstanden. Deswegen habe ich mich davon immer distanziert.
    Jetzt sind Sie plötzlich auf altbadischer Seite?
    Ich bin gar nicht auf der altbadischen Seite – ich bin überzeugter Anhänger der Alpenrepublik! Und ich bin der Auffassung, dass die Österreicher genauso zu Deutschland gehören wie die Mecklenburger.
    Au!!!
    Aber das ist doch klar! Das kann man nicht bestreiten. Die Trennung gibt es doch erst seit Königgrätz. 8 Das war die dümmste Schlacht der Weltgeschichte! Die Österreicher hatten kein Zündnadelgewehr 9 , sondern haben noch mit dem Vorderlader gekämpft. So ist das Kleindeutsche Reich 10 entstanden. Und der Krieg mit den Franzosen, und dieses jämmerliche »Kaiserreich von 46 Jahren« 11 – Kaiser Wilhelm ist im Grunde genommen doch eine Katastrophe für Deutschland gewesen. Österreich gehörte natürlich zu Deutschland! Mozart zum Beispiel war ein Deutscher und hat sich immer als solcher gefühlt und bezeichnet.
    Zurück nach Oberndorf – das ist ja katholisch. Gibt es einen Unterschied zwischen katholischen und evangelischen Schwaben?
    Scho a bissle. 12 Das können Sie an einer sehr wichtigen Art Folklore festmachen: Die evangelischen Schwaben haben keine Fasnet. 13
    Alles, was Spaß macht, wurde von den Pietisten verboten.
    Dafür waren die Pietisten die Ersten, die CDU gewählt haben.
    Erhard Eppler hat in unserem Gespräch gesagt, dass damals die Pietisten nicht CDU gewählt haben, weil sie mit der CDU Adenauer assoziierten – und der war Katholik. Und deshalb wählten viele Gustav Heinemanns GVP. Weil der Protestant war.
    Nicht überall. Als ich Abgeordneter war im Wahlkreis Reutlingen/Tübingen, in Immenhausen, haben die Pietisten immer CDU gewählt!
    Eppler hat also nicht recht?
    Doch. Erhard Eppler hat schon recht. Das hat sich aber schlagartig geändert, als der Erfinder der sozialen Marktwirtschaft, Ludwig Erhard, als

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