Ulysses Moore - 03 - Das Haus der Spiegel
der Reihe nach. Dann blieb ihr Blick an Rick hängen. »Du auch, Banner?«
»Ãh ⦠ja ⦠klar«, stotterte er.
»Ich wette, du erinnerst dich nicht einmal an den Titel des Buchs, das du lesen sollst«, fügte die Buchhändlerin hinzu und strich sich den Rock ihres hellblauen Kleids glatt.
Ricks Stolz war verletzt. »Das stimmt nicht! Es heiÃt. Nein, der Titel lautet â¦Â« Er gab sich groÃe Mühe, doch das Buch schien in seinem Gedächtnis keinerlei Spuren hinterlassen zu haben.
»Also?«
»Wollen Sie die Wahrheit hören, Miss Kalypso?«, mischte sich Julia seufzend ein.
»Ja, das wäre sehr nett.«
»Die Wahrheit, Miss Kalypso, ist â¦Â«, ergriff Rick wieder das Wort und sah dabei erst Julia und dann Jason fest in die Augen, »dass ich gestern ein anderes Buch fertig lesen musste und deshalb nicht das neue anfangen konnte. Ich mag es nicht, Bücher nur halb zu lesen.«
»Noch ein Buch, Banner?« Die Buchhändlerin griff sich an die Stirn und tat so, als würde sie gleich in Ohnmacht fallen. »Lass hören, welches bedeutende Werk hat dich letzte Nacht vom Schlafen abgehalten?«
Rick hob trotzig das Kinn. »Das grausame Krokodil der verlorenen Landkarten«, schoss es aus ihm heraus. »Es ist die Geschichte des Pharaos Tutanchamun, der sich im Haus des Lebens verläuft. Dieses Gebäude steht im Land Punt und ist ein riesiges Labyrinth voller Nischen, in denen alles Mögliche aufbewahrt wird. Der Pharao wird von einem mörderischen Krokodil verfolgt, das eine bestimmte Landkarte vor ihm finden will. Alle Beamten des Landes, das für das Alte Ãgypten sehr wichtig war, fangen gemeinsam das Krokodil ein und retten den jungen Pharao.«
Miss Kalypso zog die Augenbrauen hoch. »Das scheint ein interessantes Buch zu sein.«
»Ganz auÃergewöhnlich«, bestätigte Rick. »Wenn Sie möchten, leihe ich es Ihnen gerne aus.«
Zum Glück schien Miss Kalypso Ricks Zusammenfassung zu genügen.
»Dürfen wir jetzt bitte telefonieren?«, fragte Julia ganz unschuldig.
Die Buchhändlerin hatte ein schwarzes Telefon, das neben der Kasse stand. Julia nahm den Hörer ab und wählte die Nummer, die auf dem Schild vor dem Uhrmacherladen gestanden hatte. Wenige Schritte von ihr entfernt zog Kalypso gerade ein Buch aus dem Regal, um es Jason und Rick zu zeigen.
Während Julia wartete, dass am anderen Ende der Leitung jemand abhob, lieà sie den Blick über die Schilder schweifen, die an einigen Regalen in ihrer Nähe angebracht waren. »Einsortierte und niemals abgeholte Bücher«, »Bücher zum Umtauschen, die sich nicht umtauschen lassen«, »Bücher, die während der Woche einzusortieren sind« und »Bücher zum Verschenken«.
Auf einem Regalbrett ganz unten standen einige Bände, die mit einem Post-it versehen waren, auf das jemand ein Fragezeichen gemalt hatte. Ein Buch mit einem roten Rücken weckte sofort Julias Neugier.
Sie entwirrte die Schnur des Telefons und ging in die Hocke, um sich das Buch genauer ansehen zu können. Es war ein altes, abgegriffenes Taschenbuch, auf dessen Umschlag vorn ein kleiner Hafen abgebildet war. Als Julia den Titel las, stockte ihr der Atem.
Der neugierige Urlauber
Kleiner Reiseführer von Kilmore Cove und Umgebung
Sie vergewisserte sich, dass niemand sie beobachtete. Kalypso rückte an einem weiter entfernten Regal Bücher zurecht, während Jason und Rick über einem Atlas die Köpfe zusammengesteckt hatten.
Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Am anderen Ende der Leitung hatte immer noch keiner abgehoben. Sie klemmte sich den Hörer zwischen Ohr und Schulter und angelte mit dem ausgestreckten Arm nach dem Buch.
Sie wollte es aufschlagen, merkte dann aber, dass die Seiten noch nicht aufgeschnitten waren, wie es früher bei druckfrischen Büchern üblich war. Offenbar hatte es bisher niemand gelesen. Dann sah sie, dass aus dem Buch ein Blatt herausgefallen war.
Sie beugte sich weiter vor, um es aufzuheben. Dabei entglitt ihr jedoch der Hörer, der krachend auf dem Boden aufschlug.
»Was ist da los?«, wollte Kalypso wissen.
Julia reagierte blitzschnell: Sie schnappte sich das Blatt und stopfte es sich in die Tasche, stellte den Reiseführer wieder ins Regal, griff nach dem Hörer und stand gleich darauf wieder aufrecht neben der Kasse. Dann setzte sie ihr artigstes
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