Ulysses Moore – Das Buch der Traumreisenden
er: »Da ist er ja!«
Auf der gegenüberliegenden Seite hatte ein Mann mit abgewetzten Jeans und zerzaustem, leicht ergrautem Haar den Platz betreten. Er hielt den ersten Band von Ulysses Moore in der Hand. Nachdem er das Haus des Henkers entdeckt hatte, ging er auf die Tische des Cafés im Untergeschoss zu, suchte sich einen in der Nähe des Herrn mit der schwarzen Melone aus und setzte sich. Sofort versuchte er, die Aufmerksamkeit des anderen Mannes auf sich zu ziehen, indem er das Buch von Ulysses Moore in die Höhe hielt. Als keine Reaktion kam, sah sich Markus Renner suchend um.
»Wahnsinn, er ist wirklich gekommen!«, staunte Anita.
»Und was machen wir jetzt?«, flüsterte Tommaso.
Anita gab ihm einen leichten Schubs nach vorne. »Geh schon. Ich folge dir.«
»Hey, warte mal! So einfach ist das nicht. Wir müssen uns genau überlegen, was wir ihm erzählen.« Tommaso atmete tief durch und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Wie immer wenn er nervös war, lief sein Gesicht puterrot an.
»Los!« Anita seufzte. »Schlimmstenfalls bittest du ihn um ein Autogramm!«
»Sind Sie Markus Renner?«, fragte Tommaso, als sie den Tisch erreicht hatten.
Der Mann sah auf und sein Blick fiel auf das Buch von Ulysses Moore.
»Tommaso Ranieri Strambi«, stellte sich Tommaso mit vollem Namen vor.
»Anita Bloom.«
»Schön, euch kennenzulernen. Setzt euch doch«, erwiderte Markus Renner.
Als sie ihm gegenüber Platz genommen und zwei Limonaden bestellt hatten, fing Anita an zu sprechen. Der Übersetzer hörte ihr schweigend zu.
»Kommt Ihnen der Name Morice Moreau bekannt vor?«, fragte Tommaso schließlich.
»Nicht wirklich. Besser gesagt: nein, überhaupt nicht.«
»Und das, was Anita Ihnen erzählt hat?«
»Na ja, es ist eine wirklich schöne Geschichte. Wenn es ein Roman wäre, würde ich gerne wissen, wie es weitergeht.«
»Aber glauben Sie uns denn?«
»Natürlich glaube ich euch.«
»Und finden Sie nicht, dass es Verbindungen gibt … zwischen diesem Notizbuch, das wir gefunden haben, und dem, was Sie über Ulysses Moore geschrieben haben?«
»Ulysses lebt in Kilmore Cove. Euer Moore ist aus London. Und Moore ist nicht gerade ein seltener Name.«
»Sie glauben also, dass da keine Verbindung besteht?«
»Das habe ich nicht gesagt. Ich habe nur gesagt, dass es eine schöne Geschichte ist. Das ist alles. Wo ist denn das Haus von diesem Illustrator?«
Anita erklärte ihm den Weg. »Wenn Sie möchten, können wir zusammen hingehen.«
Am Nebentisch stellte der Mann mit der schwarzen Melone sein Glas so heftig ab, dass es klirrte.
Der Übersetzer strich sich das Haar zurück. »Vielleicht würde ich es mir nachher gerne ansehen. Habt ihr das Notizbuch dabei?«
»Nein!«, antworteten die beiden im Chor.
Markus Renner sah sie fragend an.
»Wir bewahren es an einem sicheren Ort auf«, erklärte Tommaso. »Aber wir haben ein paar Fotos gemacht.«
»Das geht auch«, sagte Markus Renner und Anita reichte ihm ihre Digitalkamera.
»Interessant … Und einen gewissen Wert hat es sicher auch. Ihr tut richtig daran, gut darauf aufzupassen.« Der Übersetzer beugte sich vor. »Und wie war das noch mal mit diesen Zeichnungen, die kommen und wieder verschwinden ?«
»Sie waren in zwei verzierten Rahmen«, erklärte Anita und zeigte ihm die entsprechenden Fotos.
»Verschwinden die Rahmen denn auch?«
»Nein. Nur die Zeichnungen, die darin sind.«
»Die Sterbende Stadt …«,
las Markus Renner halblaut und betrachtete eingehend die Landschaft neben dem zweiten Rahmen.
»Sagt Ihnen das etwas?«
»Nein.« Markus Renner schüttelte den Kopf.
»Und diese Zeichen?«, wollte Tommaso wissen und zeigte auf die Symbole, die an Hieroglyphen erinnerten.
»Zweifellos handelt es sich um die Bildzeichen der Scheibe von Phaistos«, bestätigte der Übersetzer.
»Was sind das für Zeichen?«, fragte Anita.
»Sie bilden eine Schrift, die von Ulysses Moore und seinen Freunden verwendet wurde«, erklärte Renner. »Sie übernahmen die Piktogramme von einer antiken Scheibe, die auf der Insel Kreta gefunden wurde. Die Schrift auf der Scheibe selbst wurde niemals entschlüsselt.«
»Aber Sie, Sie können das doch?«
Der Übersetzer dachte eine Weile nach, bevor er antwortete. »Oh nein … Jedenfalls nicht mal eben. Es dauert ziemlich lange …«
Der Mann mit der Melone hatte sich in eine Zeitung vertieft, hinter der er ganz verschwand.
»Um es schnell zu entschlüsseln, braucht ihr etwas …«, sagte der Übersetzer leise.
Weitere Kostenlose Bücher