Ulysses Moore – Das Labyrinth der Schatten
abgeben.
»Warten Sie! So warten Sie doch! Ja, uns schickt der Mann von den Stühlen, genau der!«, sagte der Lockenkopf, ohne zu wissen, wen Ultima eigentlich meinte.
»Aber sicher! Der Mann mit den Stühlen! Unser Chef!«, rief jetzt auch der Blonde hinauf.
Die Frau bückte sich, als wolle sie etwas aufheben. Eine fließende Bewegung und über der Grube lag ein stabiles Netz aus miteinander verknoteten Seilen. Ultima verankerte es an einigen unter dem Gras verborgenen Haken und sah dann durch das Netz wieder auf die beiden Brüder herab.
»Wenn ihr es mir nicht sagen wollt, dann eben jemand anderem«, zischte sie und verschwand wieder.
Verblüfft starrten die beiden Brüder noch eine ganze Weile nach oben.
»Was meinst du?«, fragte der Lockenkopf schließlich. »War das eine Drohung?«
Wie als Antwort auf seine Frage donnerte es in der Ferne.
Ungefähr eine Viertelstunde später erschien am Rand der Grube der Junge mit den roten Haaren. Inzwischen hatte der Regen sie in einen kleinen Sumpf verwandelt.
Als sie Rick erkannten, kam wieder Leben in die Brüder Schere.
»Bloß gut, dass du das bist!«, freute sich der Lockenkopf.
»Könntest du uns bitte hier rausholen? Wir haben nichts Böses getan!«
Rick ging einmal um die Grube herum und betrachtete die beiden Brüder so aufmerksam, als ob es Tiere in einem Zoo wären. Dann wandte er sich der Frau zu, die neben ihm stand, und erklärte ihr: »Das sind die beiden vom Flughafen. Sie folgen uns schon seit Toulouse.«
»He, Junge, so war es doch gar nicht!«, rief ihm einer der beiden Brüder zu.
»Können wir uns nicht irgendwo unterhalten, wo es ein bisschen trockener ist?«, schlug der andere vor. Er machte Anstalten, sein Jackett auszuziehen, und erklärte: »Bevor ich hier hineingepurzelt bin, war dieser Anzug 1500 Pfund wert!«
Ohne darauf einzugehen, kniete Rick sich an den Rand der Grube und fragte die Brüder: »Warum verfolgt ihr uns?«
Der Lockenkopf kicherte. »Diese Frage zählt nicht zu denen, die wir beantworten dürfen.«
»In diesem Fall kann ich leider nichts für euch tun. Die Frau, die euch gefangen hat, mag leider keine Fremden, und wie ihr vielleicht mitbekommen habt, freut sie sich überhaupt nicht darüber, dass ihr hierhergekommen seid.«
»Aber sie kann uns doch nicht hier unten festhalten! Es regnet! Es ist alles voller Schlamm und sicher wimmelt es hier von Regenwürmern und anderem Getier!«
»Es gibt internationale Abkommen über die Behandlung von Gefangenen! Auch den Bösen muss man ein Mindestmaß an Respekt entgegenbringen!«
»Gut, dann fangen wir eben noch einmal von vorne an«, meinte Rick. »Warum verfolgt ihr uns?«
»Und was bekommen wir, wenn wir dir darauf antworten?«
Rick beriet sich kurz mit der Frau, die immer noch ihr Gewehr in der Hand hielt. »Ein trockenes Gefängnis. Und etwas Warmes zu essen«, sagte der Junge.
Die beiden Brüder brauchten nur einen Blick zu wechseln, dann hatten sie sich schon entschieden, ihm alles zu erzählen.
»Einverstanden«, sagte der Lockenkopf. »Wenn du es wirklich wissen willst: Wir sind zwei Brandstifter.«
»Das war mir vorher schon klar«, erwiderte Rick. »Aber was habt ihr denn nun eigentlich gegen uns?«
»Unser Chef meint, dass ihr ein Problem darstellt, das es zu beseitigen gilt.«
»Und wer ist euer Chef?«
»Er heißt Voynich.«
»Habe ich nicht verstanden. Geht es auch etwas lauter?«
»Malarius Voynich!«, rief der Lockenkopf hinauf.
»Aber wir gehen davon aus, dass das ein Künstlername ist«, fügte der Blonde hinzu. »Welche Eltern nennen ihren Sohn denn ›Malarius‹?«
»Er nennt sich so, um noch gefährlicher zu erscheinen«, sagte der Lockenkopf.
Rick ließ sich durch ihr Gerede nicht ablenken. »Und warum stellen wir ein Problem dar?«, hakte er nach.
»Das musst du schon ihn fragen. Wir führen nur seine Befehle aus«, erwiderte der Blonde.
»Und wie lauten seine Befehle?«
»Dem Mädchen folgen und herausfinden, wohin es will. Und sobald das Ziel feststeht …« Der Blonde verstummte. Rick warf den beiden Brüdern einen vielsagenden Blick zu und wollte gehen. Als der Blonde das sah, beeilte er sich, seinen Satz zu beenden: »… dann verbrennen wir alles und kehren zur Basis zurück.«
»Ein toller Plan!«, sagte Rick und setzte sich wieder an den Rand des Grabens.
»Wenn wir einen anderen hätten, würden wir uns ja nicht ›Brandstifter‹ nennen.«
Rick überlegte kurz, was er die beiden noch fragen konnte. Schließlich
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