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Ulysses Moore – Das Labyrinth der Schatten

Ulysses Moore – Das Labyrinth der Schatten

Titel: Ulysses Moore – Das Labyrinth der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierdomenico Baccalario
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Wohnung. Wie spät war es eigentlich? Sie sah auf die Uhr. Es war immer noch mitten in der Nacht beziehungsweise sehr, sehr früh am Morgen. Sie konnte um diese Zeit nicht nach Verona aufbrechen, es fuhren ja noch nicht einmal Züge. Und außerdem hatte ihr Mann gesagt, sie solle das Haus nicht verlassen. Warum eigentlich?
    Sie ging zum Küchenfenster, schob die Gardine zur Seite und wollte hinausschauen. Dann fiel ihr ein, dass das ein Fehler sein könnte. Das hatte sie in irgendwelchen Krimis gelesen.
    Sie machte eine Runde durch die Wohnung und schaltete sämtliche Lichter aus. Dann wartete sie, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, und schaute erst dann aus dem Fenster.
    Natürlich war dort draußen auf der Straße niemand. Wer hätte da auch sein sollen?
    Ich rede mir nur lauter Blödsinn ein, dachte sie und wollte die Gardine wieder zurückschieben.
    In diesem Augenblick sah sie es.
    Einen winzigen rot glühenden Punkt auf der anderen Seite des Kanals. Jemand, der im Dunkeln eine Zigarette rauchte. Oder eine Zigarre. Sie hatte deren Glut gesehen.
    Mrs Bloom bekam weiche Knie. Ihr Mann hatte recht gehabt. Sie wurde tatsächlich überwacht.
    Sie blieb einfach am Fenster stehen und beobachtete denjenigen, der sie beobachtete. Der glühend rote Punkt bewegte sich. Ihr Bewacher spazierte am Kanal entlang und wieder zurück. Er setzte sich auf Stufen und stand nach einer Weile wieder auf. Er ging über eine Fußgängerbrücke und auf ihr Haus zu. Als er unter einer Straßenlaterne vorbeikam, erkannte sie ihn.
    Es war dieser Typ mit der Melone und dem Schirm.
    Der Mann, der ihr den Auftrag erteilt hatte, die Fresken zu restaurieren.
    Ein Mann namens Eco.
    Auf einmal war ihre Wohnung zu einem Gefängnis geworden. Und sie verspürte den heftigen Drang, sie zu verlassen. Möglichst sofort und ohne dass es jemand bemerkte.
    Sie ging zur Wohnungstür und sah durch den Spion.
    Im Treppenhaus war niemand.
    Die Wohnungstür war ziemlich stabil und hatte keine Klinke. Man bekam sie immer nur mit dem Schlüssel auf, gleichgültig, ob man in die Wohnung rein oder aus der Wohnung raus wollte.
    Man kommt nur mit dem Schlüssel raus, dachte Mrs Bloom und zog den Schlüssel ab. Sie hatte irgendwo mal von Einbrechern gehört, die den innen im Schloss steckenden Schlüssel von außen mit einem Magneten umgedreht hatten.
    »Denk nach, denk nach«, ermahnte sie sich, während sie wieder durch die Wohnung tigerte.
    Zuerst musste sie sich beruhigen.
    Sie legte sich aufs Bett und schloss die Augen, und sofort fielen ihr der Name des Übersetzers, der des Autors der Abenteuerromane, die Fresken, die sie gerade restaurierte, das geheimnisvolle Leben des Malers Morice Moreau und das rätselhafte Verschwinden ihrer Tochter ein, und zwar alles gleichzeitig, und ihr drehte sich der Kopf.
    Sie stand wieder auf und kochte sich einen Baldriantee. Als sie das kochende Wasser in die Tasse mit dem Teebeutel goss, verschüttete sie die Hälfte und verbrannte sich beinahe dabei. Sie schimpfte mit sich selbst, weil sie so zitterte, und strengte sich an, ihren Körper zu entspannen, damit das Zittern aufhörte. Es dauerte eine Weile, aber dann wurde es besser.
    Ganz allmählich entwickelte sie einen Plan.
    Sie kehrte zum Computer zurück, schaltete ihn ein, rief die Abfahrtzeiten der Züge nach Verona ab, notierte sie sich und schaltete den Computer wieder aus.
    Sie sah auf die Uhr und ging zu der Buchse, in der das Telefonkabel steckte, zog es heraus und stopfte es in ihre Handtasche. Anschließend packte sie das Nötigste in eine kleine Reisetasche. Als sie fertig war, riss sie die Sachen wieder alle heraus, holte sich einen Rucksack und packte alles rein. Zu guter Letzt fand sie, dass sie auch mit dem Rucksack zu sehr auffallen würde, und beschloss, überhaupt nichts mitzunehmen. Sie steckte nur Bargeld ein. Damit konnte sie sich alles kaufen, was sie unterwegs brauchen würde.
    Sie setzte sich in die Küche und wartete.
    Als sie das Gefühl hatte, dass dafür nun der richtige Zeitpunkt gekommen sei, setzte sie Kaffee auf. Ihr nächster Schritt bestand darin, das Fenster zu öffnen und dem Mann mit der Melone und dem Schirm, der immer noch unten stand, laut zuzurufen: »He, Sie! Ja, Sie meine ich. Ich weiß, dass Sie mich hören können. Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Wenn Sie zu mir raufkommen und einen Kaffee mittrinken, erzähle ich Ihnen alles, was ich über meine Tochter Anita weiß. Dafür erzählen Sie mir, warum Sie mich

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