Ulysses Moore – Die Stadt im Eis
freirüttelte und herun terhob. »Er hat sich hier die Teile für seine Maschinen geholt. Aber du hast ihn ja nicht gekannt, es ist wahr scheinlich schwierig, sich das vorzustellen.«
»Ich bin doch schon in seinem Heißluftballon mitgefahren«, erinnerte ihn Anita.
Jason stellte gerade ein Fahrrad vor sich hin und betrachtete es prüfend. »Das hier würde sogar Rick gefal len«, stellte er zufrieden fest. »Also hätten wir schon mal eins.«
Er schob es Anita zu und bat sie, es neben das Tor zu stellen. Dann hob er ein verrostetes fuchsiafarbenes Rad von dem Stapel herunter. »Nicht gerade brandneu«, mur melte er vor sich hin. »Könnte aber gehen.«
»Das ist doch prima, Jason«, erwiderte das Mädchen und schob das Fahrrad neben das andere. Erst in diesem Moment bemerkte sie neben einem alten Autositz eine lange Kette und einen riesigen Wassernapf. »Irgendetwas sagt mir, dass wir uns beeilen sollten …«
Doch Jason war hinter einem anderen Schrottstapel verschwunden und stieß dort aufgeregt bewundernde Ausrufe hervor. »Boah, Wahnsinn! Das ist ja voll irre!«
Anita ging zu ihm, um nachzusehen, was er meinte.
Jason kniete vor einem alten feuerroten Motorrad. Das herumliegende Werkzeug verriet, dass Samthändchen gerade daran arbeitete. Die kompakte Maschine besaß einen großen, runden Scheinwerfer und einen silbrig glänzenden, neuen Auspuff.
»Ist sie nicht wunderschön?«, schwärmte Jason. »Es ist eine echte MV Augusta!«
»Kommt mir eher wie ein zu groß geratenes Bügeleisen vor«, bemerkte Anita genervt.
»Du machst wohl Witze! Das hier ist ein Juwel. Die beste Straßenmaschine aller Zeiten!«, sagte Jason – und sprang mit einem Satz in den Sattel.
»Du solltest da lieber gleich wieder runterkommen oder du tust dir noch weh«, sagte Anita. »Du bist nicht groß genug, um so ein Motorrad zu fahren.«
»Ich weiß schon, was ich tue«, antwortete Jason gekränkt. Er streckte die Hand nach dem Schlüssel aus, der im Zündschloss steckte, und …
WRAAUUUR!
Anita drehte sich blitzschnell um. Ihr blieb keine Zeit mehr, Jason zu fragen, ob er es auch gehört hätte. Denn plötzlich kam aus einer der Gassen zwischen Schrott und Reifenstapeln ein Hund gerast, der größer als ein ausgewachsenes Wildschwein, aber vielleicht doch etwas kleiner als ein Elefantenbaby war. Ein Geschoss mit einem Fell wie aus dunkler Stahlwolle, schwarz glänzenden Nagelköpfen anstelle der Augen und einem roten, weit aufgerissenen Schlund dort, wo bei Hunden normalerweise das Maul war.
»BEI ALLEN UNWETTERN CORNWALLS!«, schrie Jason und ließ instinktiv das Motorrad an. »SIE HABEN REAGAN FREIGELASSEN!«
Der Motor der MV Augusta erwachte mit einer Fehl zündung zum Leben, die so laut wie ein Granatenein schlag krachte, lief dann aber weiter.
»Was machst du da? Hast du sie nicht mehr alle?«, schrie Anita.
Jason sah sie verzweifelt an und rief: »Mach das Tor auf! Mach das Tor auf!«
Anita war nur fünf Schritte von dem Knopf entfernt. Sie hörte gleichzeitig das Hecheln des heranstürmenden Hundes und das Knattern des Motorrads und konnte sich nicht entschließen, was sie schlimmer fand: mit der Maschine gegen eine Mauer zu krachen oder von einem tobsüchtigen Hund in Stücke gerissen zu werden.
Ohne darauf zu warten, dass sich das Mädchen endlich entschied, kickte Jason den Ständer hoch und gab Gas. Das Motorrad bäumte sich auf wie ein übermütiger Hengst. Jason drehte im Hof eine halbe Runde, ohne vom Gas zu gehen. Die Maschine spuckte eine schwarze Rauchwolke aus, schleuderte den Kies hoch in die Luft und bewirkte dadurch nur, dass der Hund noch wütender wurde.
Inzwischen hatte Anita den Knopf erreicht. Sie drückte rasch drauf, drehte sich um und lief auf Jason zu, der immer noch Mühe hatte, sein Feuerross zu bändigen.
»STEIG AUF! STEIG AUF!«, rief er ihr zu, während er das Motorrad zwang, im Kreis zu fahren.
Das automatische Tor öffnete sich qualvoll langsam und Reagan hatte das Motorrad schon fast erreicht, doch Jasons Manöver schienen ihn zu verwirren.
Als Jason an ihr vorbeikam, sprang Anita hinter ihm auf. Beinahe wäre sie auf der anderen Seite wieder abge rutscht und der geifernden Bestie direkt in den weit auf gesperrten Rachen gefallen. Im letzten Moment bekam sie noch Jason am Hals zu fassen. Wie durch ein Wunder fiel keiner von ihnen von der Maschine.
»HALT DICH FEST!«, brüllte Jason.
Er hätte es ihr eigentlich nicht zu sagen brauchen. Anita klammerte sich an dem fest, was
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