Ulysses
Werkstatt der Natur vom Erlöschen irgendeiner fernen Sonne bis hin zum Erblühen einer der zahllosen Blumen, welche unsere öffentlichen Parks verschönen, einer Zahlengesetzmäßigkeit unterworfen sei, welche bislang noch nicht erkannt worden ist. Gleichwohl zwingt die einfache und klare Frage, warum ein Kind normal gesunder Eltern und augenscheinlich ein gesundes und angemessen umsorgtes und gewartetes Kind unerklärlicher Weise in früher Kindheit dem Tode erliegt (obschon andere Kinder derselben Ehe verschont bleiben), uns gewißlich, um es mit den Worten des Dichters zu sagen, still zu stehen. Die Natur hat, dess’ dürfen wir sicher sein, ihre eigenen guten und zwingenden Gründe für alles, was sie tut, und aller Wahrscheinlichkeit nach entspringen solche Todesfälle einem Antizipationsgesetz, dem zufolge Organismen, in denen Krankheitskeime Wohnung genommen haben (die moderne Wissenschaft hat bündig bewiesen, daß einzig der Plasmasubstanz Unsterblichkeit zugesprochen werden kann), dazu neigen, in einem zunehmend früheren Entwicklungsstadium zu verschwinden, eine Einrichtung, welche, mag sie auch manche unserer Gefühle schmerzlich treffen (namentlich die mütterlichen), nichtsdestoweniger, wie manche von uns denken, auf die Dauer eine Wohltat für die Race im allgemeinen darstellt, weil dadurch das Überleben der Tauglichsten gesichert ist. Mr. S. Dedalus’ (Div. Scep.) Bemerkung (oder sollte man es eine Unterbrechung heißen?), daß ein allesfressendes Wesen, welches so mannigfaltige Lebensmittel wie kanzeröse, durch Partus ausgezehrte Frauen, korpulente berufstätige Herren, gar nicht zu sprechen von hepatitischen Politikern und chlorotischen Nonnen, in allervollkommenster Unerschütterlichkeit kauen, schlingen, verdauen und durch den gewöhnlichen Kanal wieder ausscheiden kann, möglicherweise in einer unschuldigen Kollation staggering bob gastrische Erleichterung finden könnte, zeigt, wie nichts anderes es ähnlich vermöchte, und in einem sehr unangenehmen Licht, die Tendenz, auf die oben angespielt wurde. Zur Aufklärung jener, die mit den Minuzien des städtischen Schlachthofes nicht so intim vertraut sind, wie dieser geistig morbide Ästhet und Embryonalphilosoph, der bei all seiner anmaßenden Dünkelhaftigkeit in wissenschaftlichen Dingen doch kaum Säuren von Basen unterscheiden kann, es von sich rühmt, sollte vielleicht noch festgehalten werden, daß staggering bob in der gemeinen Umgangssprache der niederen Klassen unserer Schankwirte das koch- und eßbare Fleisch eines frisch vom Muttertier geworfenen Kalbes bezeichnet. In einer öffentlichen Kontroverse mit Mr. L. Bloom (Ann. Acq.), die kürzlich in der Besuchshalle des National Maternity Hospital, 29-31 Holles Street, stattfand, dessen fähiger und beliebter Direktor, wie allbekannt, Dr. A. Horne ist (Lic. in Gebh., F.K.Q.C.P.I.), hat er nach dem Bericht von Augenzeugen geäußert, wenn eine Frau die Katze einmal in den Sack gelassen habe (vermutlich eine ästhetische Anspielung auf einen der kompliziertesten und wunderbarsten aller Naturvorgänge, den Akt der geschlechtlichen Vereinigung), so müsse sie dieselbe auch wieder herauslassen beziehungsweise ihr das Leben geben, wie er es formulierte, um ihr eigenes zu retten. Auf Gefahr ihres eigenen hin, lautete die eindrucksvolle Entgegnung seines Gesprächspartners, die um so durchschlagender wirkte, als sie in bescheidenem und maßvollem Tone vorgebracht wurde.
Mittlerweile hatten Geschicklichkeit und Geduld des Arztes ein glückliches accouchement zustande gebracht. Es war eine schwere, schwere Geduldsprobe gewesen, für die Patientin wie auch für den Doktor. Alles, was chirurgisches Geschick tun konnte, war getan, und die brave Frau hatte wacker mitgeholfen. Ja, das hatte sie. Sie hatte den guten Kampf gekämpft, und nun war sie sehr, sehr glücklich. Auch die schon Dahingeschiedenen, die vor uns Dahingegangenen, sind glücklich, wie sie nun herniederblicken und lächelnd die rührende Szene betrachten. Ach, schaut nur ehrfürchtig her, wie sie dort liegt mit dem Mutterlicht in ihren Augen, jenem verlangenden Hunger nach Babyfingern (ein niedlicher Anblick ist’s fürwahr), in der ersten Blüte ihrer neuen Mutterschaft, ein stilles Dankgebet atmend, hinauf zu Einem, der über uns wohnt, zum Himmlischen Bräutigam. Und wie ihre liebenden Augen nun ihr Kindlein sehen, da wünscht sie sich nur noch eine Gnade mehr, ihren lieben Doady bei sich zu haben, daß er ihre Freude teile, in
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